© CC BY-SA 3.0 Phillip Maiwald (Nikopol) - Eigenes Werk

Architektur & Immobilien

Wenn Gebäude aus dem Gleichgewicht tanzen: Asymmetrie in der Architektur

Es gibt Gebäude, die sich einfügen. Und es gibt jene, die das Stadtbild spalten. Asymmetrische Architektur polarisiert. Manche nennen es visionär, andere sprechen von architektonischer Anmaßung. Aber eines ist sicher: Diese Gebäude lassen niemanden kalt.

Von Julia Weninger

Es gibt Häuser, die fügen sich ein. Und dann gibt es das Kunsthaus Graz. „Blauer Blob" wird es genannt, und der Spitzname trifft es ziemlich genau. Peter Cook und Colin Fournier haben hier keine Fassade entworfen, sondern eine organische Form, die aussieht, als wäre sie aus einer anderen Welt zwischen die barocken Dächer der Stadt gerollt. Symmetrie? Fehlanzeige. Und genau das ist gewollt.

Denn asymmetrische Architektur ist kein Versehen. Sie ist eine bewusste Entscheidung gegen das Erwartbare. Eine Absage an rechte Winkel, klare Achsen und brave Proportionen.

Wenn Titan sich verbiegt

Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao ist das vielleicht berühmteste Beispiel dafür. Seit 1997 steht es am Fluss Nervión – ein silbrig glänzendes Gebilde aus Titan, das sich windet und faltet, als hätte jemand Metallfolie zerknüllt und dann wieder aufgefaltet. Kein Winkel passt zum nächsten, keine Fläche wiederholt sich. Dekonstruktivismus nennt man das. Oder einfach: radikal anders.

© CC BY-SA 3.0 - Photograph taken by User MykReeve. - Eigenes Werk

Auch Gehrys „Tanzendes Haus" in Prag lebt von diesem Prinzip. Zwei Türme lehnen sich aneinander, einer gerade, einer schräg – wie ein Tanzpaar. „Fred & Ginger" hat man sie getauft. Die Metapher funktioniert, weil das Gebäude tatsächlich Bewegung suggeriert. Architektur, die nicht stillsteht.

© CC BY-SA 4.0 Danny Alexander Lettkemann, Architekt - Eigenes Werk

Fließend, gebrochen, gewachsen

Zaha Hadid hat Asymmetrie anders interpretiert. Ihre Bauten – das MAXXI Museum in Rom, das Heydar Aliyev Center in Baku – sehen aus, als wären sie in einem Zug gezeichnet worden. Keine harten Kanten, nur Kurven. Die Gebäude fließen förmlich, als wären sie nicht gebaut, sondern gewachsen. Hadids Architektur ist organisch, fast flüssig.

© CC BY 2.0. Mika Stetsovski

Daniel Libeskind wiederum arbeitet mit Brüchen. Sein Jüdisches Museum in Berlin ist kantig, schroff, verstörend. Die Fassade wirkt zerrissen, die Fenster liegen schief, als hätte jemand das Gebäude aufgeschlitzt. Asymmetrie ist hier kein Stilmittel, sondern Ausdruck. Es geht um Erinnerung, um Verlust, um bewusste Irritation.

Libeskinds Konzept speist sich aus vier zentralen Inspirationsquellen. Ausgangspunkt ist die Beziehung zwischen jüdischer Tradition und deutscher Kultur vor der Schoa, dargestellt durch Persönlichkeiten wie Paul Celan, Max Liebermann, Heinrich von Kleist, Rahel Varnhagen oder Friedrich Hegel. Aus ihren Wohnadressen entwickelte er ein Liniennetz, das die Form des Gebäudes und die Anordnung der Fenster prägt. Weitere Impulse stammen aus Arnold Schönbergs unvollendeter Oper Moses und Aron, dem Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung sowie Walter Benjamins Essay Einbahnstraße.

© Hufton Crow

Stein, der nicht gerade sein will

Friedensreich Hundertwasser wollte die Nachkriegsarchitektur mit ihren starren Mustern aufbrechen. Sein Wohnhaus ist bunt, uneben, verspielt – mit schiefen Fenstern, begrünten Dächern und welligen Böden. Nicht jeder mag das. Aber das war auch nicht der Punkt. Es ging um Protest gegen die Gleichförmigkeit.

© Wikimedia Commons C.Stadler Bwag

Asymmetrie als Prinzip

Und dann gibt es Gebäude wie das Krumme Haus in Sopot, Polen. Ein Einkaufszentrum, das aussieht, als würde es schmelzen. Wellige Fassaden, keine geraden Linien, eine Form irgendwo zwischen Traum und Comic. Nach einem Konzept der Architekten Szotyński und Zaleski realisiert, basiert der Bau auf den fantasievoll-verzerrten Illustrationen von Jan Marcin Szancer sowie den surrealen Entwürfen Per Dahlbergs, die als zentrale Inspirationsquelle dienten.

© CC BY-SA 3.0s Krzywy Domek w Sopocie 21 maj 2006 r

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