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Österreichs Immobilienmarkt: Zwischen Bereinigung und Luxus als sicherem Hafen
Die Vorstände und Fachbereichsleiter:innen der ÖRAG-Gruppe haben ihren Ausblick auf die kommenden Jahre präsentiert. Ihr Befund: Der Markt steht vor einer langen Phase der Konsolidierung. Während Zinswende, Inflation und Neubaukrise die Branche belasten, zeigt sich das Luxussegment bemerkenswert stabil.
Die Vorstände Stefan Brezovich, Michael Buchmeier, Johannes Endl und die Fachbereichsleiter*innen der ÖRAG-Gruppe haben gemeinsam mit Ökonom Dr. Jan Kluge (Agenda Austria) ihren Ausblick auf die kommenden Jahre präsentiert.
Analyse mit Weitblick
Die Diagnose der ÖRAG ist eindeutig: Der österreichische Immobilienmarkt befindet sich in einer der härtesten Phasen seit Jahrzehnten. „Die Auswirkungen der abrupten Zinswende nach der unseeligen Negativzinsphase sind immer noch spürbar, und namhafte Player der Immobilienbranche sind bedauerlicherweise untergegangen“, erklärt Vorstand Stefan Brezovich. Zwar habe sich das Zinsniveau inzwischen stabilisiert, doch eine unruhige Weltlage sorge weiterhin für Unsicherheit. Brezovich fordert, den kommenden Jahren mit „konstruktivem Realismus“ zu begegnen.
Eine nachhaltige Stabilisierung des Marktes erwarten die ÖRAG-Vorstände frühestens Ende 2026. Vorstand Michael Buchmeier betont: „Bis zu einer Erholung des Marktes, mit der wir erst gegen Ende 2026 rechnen, wird sich die Phase der Marktbereinigung weiter fortführen.“ Bis dahin prägen Korrekturen, vorsichtige Bewertungen und Zurückhaltung die Branche.
Selektives Investment, wachsende Unsicherheit
Im Investmentbereich hat sich die Lage 2025 leicht belebt, doch das Gesamtvolumen bleibt mit 1,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr deutlich unter früheren Rekordwerten. Wien dominiert mit 1,04 Milliarden Euro nach wie vor den Markt. Besonders nachgefragt sind Bestandsobjekte mit gesichertem Cashflow, während Projektentwicklungen aufgrund hoher Baukosten und schwacher Renditen kaum umsetzbar sind.
Vorstand Johannes Endl verweist auf die selektive Nachfrage und die Rolle der Banken: Mit sinkenden Bewertungen steigt die Gefahr notleidender Kredite – ein Risiko, das den Markt zusätzlich belastet.
Mieten wird teurer – Neubau bleibt knapp
Noch deutlicher zeigt sich die Krise im Mietsektor. Mit nur 10.000 fertiggestellten Wohnungen im ersten Halbjahr 2025 setzt sich der Rückgang der Neubauleistung fort. „Ohne ausreichenden Neubau droht eine weitere Verknappung des Wohnraums, die zu noch höheren Mietpreisen führen könnte“, warnt Aleksandra Mitrovic, Bereichsleiterin Wohnen Miete.
Wie angespannt die Lage ist, zeigt das Projekt DC Flats in der Wiener D-City. Von den 302 Wohnungen wurden seit Juli bereits 151 vermietet – ein Beleg für die enorme Nachfrage und die Geschwindigkeit, mit der der Markt aufnimmt, was entsteht.
Eigentum: Vorsicht und neue Konzepte
Auch am Eigentumsmarkt herrscht Zurückhaltung. Viele Erstkäufer*innen suchen länger und vergleichen Finanzierungen gründlicher, Zwischenfinanzierungen werden weitgehend vermieden. Beliebt sind kompakte Drei-Zimmer-Wohnungen mit 65 bis 70 Quadratmetern, während größere Neubauwohnungen schwerer vermarktet werden.
Ein wachsender Trend sind flexible Konzepte wie in der Aichholzgasse, wo Wohnungen bewusst so geplant wurden, dass sie zusammengelegt oder wieder getrennt genutzt werden können. Jelena Pirker, Fachbereichsleiterin Eigentum, bestätigt: Diese Flexibilität wird von Käufer*innen teils als ausschlaggebender Faktor für den Erwerb genannt.
Luxus trotzt der Krise
Deutlich anders präsentiert sich das Bild im Premiumsegment. Während breite Teile des Marktes von Unsicherheit, Preisabschlägen und langsamer Nachfrage betroffen sind, bleibt die Welt der Villen und exklusiven Häuser erstaunlich stabil.
„Lage und Größe alleine geben nicht mehr den Ausschlag für eine Kaufentscheidung“, betont Karin Bosch, MBA, Leiterin Wohnen Eigentum Exklusiv. Entscheidend seien Faktoren wie Aussicht, Alleinlage, Privatsphäre oder Grundstücksgröße. Gerade deshalb bleibt die Nachfrage nach hochwertigen Häusern in Wien und Niederösterreich konstant, die Preise sind stabil, in manchen Fällen steigen sie sogar.
Besonders gefragt sind sanierte, bezugsfertige Immobilien. Wer in diesem Segment verkaufen möchte, erzielt die besten Ergebnisse, wenn er sofort nutzbare Qualität bietet. Parallel dazu etabliert sich ein neuer Trend: Verkäufe mit lebenslangem Wohnrecht. „Im exklusiven Segment etabliert sich zunehmend ein Trend, der bisher nur im ‚klassischen‘ Immobilienmarkt spürbar war: Der Verkauf von Liegenschaften mit lebenslangem Wohnrecht“, so Bosch.
Auch Top-Grundstücke sind weiterhin knapp und begehrt. Neubauten auf diesen Flächen verzögern sich jedoch oft durch komplexe Genehmigungsverfahren, was dazu führt, dass selbst sanierungsbedürftige Liegenschaften im Luxusbereich an Wert gewinnen.
Zwei Welten, ein Markt
Die Analyse der ÖRAG-Vorstände und Fachbereichsleiter*innen zeigt damit eine deutliche Spaltung des Marktes. Auf der einen Seite stehen Investment, Miet- und Eigentumsmarkt unter Druck, geprägt von Zurückhaltung, Engpässen und vorsichtigen Bewertungen. Auf der anderen Seite behauptet sich das Luxussegment, das dank seiner Knappheit und Exklusivität weitgehend stabil bleibt – und sogar neue Verkaufsmodelle hervorbringt.
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