Kunst & Kultur

Digitale Kunst reloaded

Als Beeples NFT 2021 für 69 Millionen Dollar versteigert wurde, explodierte der Markt für digitale Kunst und crashte kurz darauf. Vier Jahre später hat sich die Kunstform etabliert, und auch am Markt geht es bergauf.

Von Eva Komarek

Als im März 2021 Beeples NFT-Collage „Everydays: the First 5000 Days“ bei Christie’s für 69 Millionen Dollar versteigert wurde, wurde digitale Kunst schlagartig zum Gesprächsthema. Was folgte, war ein beispielloser Hype, gefolgt von einem ebenso abrupten Crash. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger.

Der NFT-Hype dauerte gerade einmal zwei Jahre, hat die digitale Kunstszene aber nachhaltig verändert. Denn NFTs bieten mittels Tokens, die in der Blockchain gespeichert sind, die Möglichkeit, digitale Werke eindeutig einem Besitzer zuzuweisen und damit handelbar zu machen. 2021 und 2022 wurden NFTs zu Spekulationsobjekten. Der Zusammenbruch kam mit dem Krypto-Crash im Frühjahr 2022. Viele Projekte verloren binnen Wochen ihren Wert, Plattformen wie OpenSea meldeten drastische Einbrüche im Handelsvolumen. 

Für die Ausstellung „/imagine: Eine Reise in die Neue Virtualität“ hat 2MVD die AR-Installation „Eddy“ ortsspezifisch für die MAK-Säulenhalle entwickelt.
© 2MVD

„Fidenza #718“ von Tyler Hobbs war Finalist bei den Digital Art Awards 2025.
© COURTESY OF HIVEMIND

Vier Jahre später ist digitale Kunst nicht nur erwachsen geworden, sie hat sich neu positioniert. „Die breite Anerkennung ist geblieben, aber das Bewusstsein für Qualität hat sich stark geschärft“, sagt Nicole Sales Giles, Direktorin für digitale Kunst beim Auktionshaus Christie’s.

Anfänge in den 1960ern

Digitale Kunst ist kein Produkt des NFT-Zeitalters.  Bereits in den 1960er-Jahren begannen Künstler, Computer als kreatives Werkzeug zu nutzen. Damals entstanden algorithmische Zeichnungen und Filme, oft mithilfe von Lochkarten oder ersten Programmiersprachen. In den 1980ern und 1990ern begannen Künstler wie Cory Arcangel, digitale Technologien selbst zum Gegenstand ihrer Werke zu machen, etwa durch Videospiele oder frühe Webinterfaces. Heute umfasst digitale Kunst ein ganzes Spektrum: von Videokunst und Animation über Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und generativer Kunst bis hin zu blockchainbasierten NFTs und KI-generierten Bildern.

„Golden Breath“ wurde von der autonomen KI Keke geschaffen, die von MIT-Student Dark Sando entwickelt wurde. Erzielter Preis: 21.420 Dollar
© CHRISTIE’S IMAGES LTD. 2025

Dass digitale Kunst längst Einzug in etablierte Institutionen hält, zeigt exemplarisch das Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK), das als Vorreiter gilt. Schon 2015 erwarb das MAK als erstes Museum weltweit ein Werk mit Bitcoin, später folgte die NFT-Version derselben Arbeit. Unter der Leitung von Kuratorin Marlies Wirth setzt das Haus kontinuierlich auf digitale Formate von immersiven Simulationen bis zu AR-Installationen. Zu den wichtigsten Ausstellungen zählen „/imagine“ oder „Pardon Our Dust“. Diese Entwicklung spiegelt sich auch auf internationalem Parkett wider. VR-Kunst hat auf der Frieze New York ebenso ihren Platz wie im Centre Pompidou oder dem MoMA New York. 

Fokus auf Qualität 

Nach dem wilden Ritt der Jahre 2021/22 wirkt der digitale Kunstmarkt heute geerdeter. Die Nachfrage konzentriert sich auf Einzelwerke, limitierte Editionen und Arbeiten mit technischer Raffinesse, wie On-Chain-NFTs oder generative Kunst, also Werke, die auf algorithmischen Systemen beruhen. Künstler wie Dmitri Cherniak oder Tyler Hobbs erzielen wieder Höchstpreise: Cherniaks „Ringers #879 (The Goose)“ wechselte 2023 bei Sotheby’s für 6,2 Millionen Dollar den Besitzer, der zweithöchste Preis, der je für ein Werk dieser Art erzielt wurde.

Zheng Lus „Water in Dripping – Water is Silent” wurde in der Ausstellung „Beyond the Screen“ in der HOFA Gallery gezeigt.
© COURTESY OF HOFA

„Da KI zu einem festen Bestandteil unseres Alltags geworden ist, haben das Interesse an und das Verständnis für KI als kreatives Werkzeug und künstlerisches Medium erheblich zugenommen“, sagt Giles. Sie organisierte Anfang 2025 die Auktion „Augmented Intelligence“, die neben bestehenden Kunden auch einen Zustrom neuer Sammler anzog.  „Die Auktion zeigte die vielfältigen Möglichkeiten, wie Künstler mit KI experimentieren – viele schreiben ihre eigenen LLMs – und unterstrich, dass die Technologie die menschliche Kreativität eher bereichert als ersetzt“, sagt die Expertin. Christie’s versteigerte in der Auktion aber nicht nur KI-Werke, sondern auch On-Chain-Kunst des Künstlers Robert Alice, eine Premiere, bei der der komplette Code des Kunstwerks direkt in der Blockchain gespeichert war.

KI als neuer Motor

Das gestiegene Interesse an digitaler Kunst zeigt sich auch an den erstmals im Mai 2025 vergebenen Digital Art Awards in London. Initiatoren sind die HOFA Gallery und das Auktionshaus Phillips, unterstützt von Hivemind Capital Partners, deren kürzlich gegründeter Digital Culture Fund gezielt in Pioniere und Talente der digitalen Kunst investiert. Die Awards zeichnen Künstler aus, die mit generativer Kunst, KI, immersiven Medien oder experimentellen Formaten arbeiten. Hivemind-Gründer Matt Zhang versteht digitale Kunst nicht nur als Markt, sondern als „emerging cultural infrastructure“. Gekauft werden Schlüsselwerke von Größen wie Refik Anadol, Tyler Hobbs oder XCOPY, aber auch von Nachwuchskünstlern.

Charity-Auktion von Refik Anadol mit Fußballstar Lionel Messi „Living Memory: Messi – A Goal in Life“
Erzielter Preis: 1,8 Mio. Dollar
© CHRISTIE’S IMAGES LTD. 2025

Spätestens seit dem Projekt „Unsupervised – Machine Hallucinations – MoMA Dreams“ gilt Refik Anadol als unangefochtener Superstar der KI-Kunst. Für dieses Projekt speiste er sämtliche Werke der MoMA-Sammlung in eine KI ein, die daraus neue Werke generierte. Heuer im Juli setzte er seine Arbeit für einen guten Zweck ein. Seine Charity-Auktion mit Fußballstar Lionel Messi, bei der die KI-Datenskulptur „Living Memory: Messi – A Goal in Life“ versteigert wurde, erzielte bei Christie’s 1,86 Millionen Dollar.

Es geht wieder bergauf

Christie’s-Expertin Giles ist für den Markt optimistisch. „Da die Preise für Kryptowährungen seit Anfang 2025 stetig steigen und in diesem Bereich bedeutende Fortschritte bei der globalen Regulierung erzielt wurden, gehe ich davon aus, dass sich der Aufschwung der digitalen Kunst in allen Formen in naher Zukunft fortsetzen wird.“ Dieser Trend wird auch vom Hiscox-Art and AI Report bestätigt: Zwei Drittel der Befragten glauben, dass der Markt für KI-Kunst in den nächsten zwölf Monaten wachsen wird.

„Pardon Our Dust“ war die erste Einzelausstellung von La Turbo Avedon in Österreich.
© KUNST-DOKUMENTATION.COM/MAK

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