Das erste Nachhaltigkeitssymposium der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft legte den Fokus auf die Praxis. Im Zentrum der drei Arbeitsgruppen standen die Themen Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung sowie Städte und Gemeinden. Als Stargast fungierte Cate Blanchett.
Der elegante Festsaal der Hofburg war in tiefes Blau und Grün getaucht, als die Eröffnungsmusik den Beginn des Symposiums ankündigte. Sichtlich ergriffen betraten, nach der Moderatorin Mari Lang, ÖGNI-Präsident Andreas Köttl und ÖGNI-Geschäftsführer Peter Engert die Bühne.
Wie es sich für eine Veranstaltung gehört, in deren Mittelpunkt die Praxis und die Anwendbarkeit von Lösungen stehen, ging es danach sogleich in medias res.
Kreislaufwirtschaft – der Kodak-Moment
Eigentlich spricht man ja ungern über Negativbeispiele – aber dennoch bringt Walter Senk bei der Präsentation der ersten Arbeitsgruppe den Namen Kodak ins Spiel, das Unternehmen, das eigentlich in der Pole-Position gewesen wäre und doch den Schritt von der Analogfotografie hin zur Digitalisierung verpasst hat. Das dürfe der Immobilienbranche nicht passieren, stellt man fest – und: Der Kodak-Moment ist jetzt.
„Heute können wir gestalten. Morgen müssen wir Entscheidungen treffen, damit wir übermorgen davon profitieren können“, stellt Arbeitsgruppenteilnehmerin und Co-Präsentatorin Sarah Dungs fest, „wir wissen, dass unsere Ressourcen zur Neige gehen, wir kennen sogar unser CO2-Budget – und doch beharren noch viele auf veralteten Strategien.“
Als Erstes müsse man sich selbst bei der Nase nehmen, so die Präsentatoren. Aber im nächsten Schritt sei ein staatliches Regulatorium unumgänglich. Man müsse die gesamte Wertschöpfungskette neu denken, und Produkte und Prozesse schaffen, die kreislauffähig sind. „Unsere Wirtschaft ist zu kleinteilig“, so das Urteil.
Ansprechen müsse man einerseits den Nachwuchs, weswegen das Denken in Kreisläufen dringend in Aus- und Weiterbildungsangeboten verankert werden müsse – andererseits gelte es nun, die Entscheidungsträger und Führungsebenen ins Boot zu holen.
Digitalisierung – wie ein Verkehrssystem
Von Post-its und vollgeschriebenen Tafeln erzählt Arbeitsgruppenleiter Heimo Rollet am Beginn der zweiten Präsentation. Der Clou: All das wurde digital gesammelt und beschriftet. Denn: „Die Digitalisierung müssen wir als Tool begreifen und nicht als Selbstzweck.“ Valide Daten seien die Grundlage für die Umsetzung von nachhaltigen Immobilien – im Bau, im Betrieb und auch als Ressourcen- und Materiallager.
Voraussetzung dafür seien Standardisierung und Kategorisierung von Daten. Co-Präsentator und Arbeitsgruppenteilnehmer Michael Haugeneder vergleicht es mit dem Straßenverkehr: „Damit wir alle sinnvoll und sicher darin agieren können, braucht es bestimmte Voraussetzungen und ein einheitliches Regelwerk – ein Auto mit Pickerl, einen Fahrer mit Führerschein und eine Straßenverkehrsordnung.“ Nur mit klaren Spielregeln – auch was die Datensicherheit angeht – könne man die noch immer große Technologieskepsis überwinden. Teil solcher Spielregeln sei es, auch einen Mehrwert für den Datenlieferanten zu schaffen, ebenso wie eine rechtssichere Datengrundlage, so Rollet: „Die Datengeber müssen die Qualität sicherstellen – damit aber auch das Recht erwirken, Informationen zu erhalten und Lehren aus den gesammelten Daten zu ziehen.“
Auch einige konkrete Beispiele und Forderungen stellten die Präsentationen vor – darunter eine digitale Fertigstellungsmeldung oder ein vereinheitlichter CO2-Ausweis, der alle 10 Jahre aktualisiert werden müsse. Um eine ökonomische Komponente hinzuzufügen, müsse CO2 in diesem System auch ein Schattenpreis zugewiesen werden. Bei den Betriebsdaten sei es wichtig, mit aggregierten Daten zu arbeiten, also nicht heruntergebrochen auf die Nutzer, sondern auf die jeweilige Liegenschaft. Nach dem Motto „Train the Trainer“ sei es gerade bei den Bildungsangeboten nicht nur wichtig, den Nachwuchs digitalisierungsfit zu machen, sondern auch und vor allem die Ausbilder. Aus- und Weiterbildungsangebote müssten möglichst niederschwellig sein.
Städte und Gemeinden – auf dem Boden der Nachhaltigkeit
Wir alle haben noch die Bilder der kürzlichen Flutkatastrophe vor Augen. Nicht nur seien solche Extremwetterereignisse Folgen des Klimawandels, ihre extremen Auswirkungen seien eng verbunden mit der Bodenversiegelung, erklären Michael Neubauer und Silke Thor bei der Präsentation der dritten Arbeitsgruppe. „Österreich ist Europameister im Verbrauch von fruchtbarem Grund und Boden“, so Neubauer, und Thor setzt fort: „Dabei sind unsere Böden unsere Lebensgrundlage, sie sind Retentionsraum und Versickerungsflächen. Sie sind wesentlich für unsere Ernährungssicherheit und fungieren außerdem als CO2-Speicher.“
Man müsse einerseits ein nationales Raumplanungsgesetz schaffen, erklären die Präsentatoren, andererseits die Städte und Gemeinden in die Pflicht nehmen, den Bodenverbrauch zu steuern. Zunächst müsse man Nachverdichtung, Revitalisierung und Flächenkreisläufe forcieren. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft oder abgeklärt seien, dürfe es an die grüne Wiese gehen. Und auch dafür brauche es strenge Vorgaben, was Effizienz angeht – als Beispiel nennt Thor Mehrfachnutzungen. Wesentlich für all das sei es, nicht nur Verantwortung festzulegen, sondern auch Kompetenzen zu klären, vor allem auf kommunaler Ebene, denn „nur die Stadt oder Gemeinde selbst weiß wirklich, was sie braucht und wie die individuellen Rahmenbedingungen sind“, so Thor. Am Anfang sei eine Qualifizierungsoffensive wichtig. Alle Beteiligten müssten ins Boot geholt und befähigt werden, komplexe Entscheidungen zu treffen. Internationaler und interkommunaler Austausch sei dafür unabdingbar. Maßnahmen wie Entsiegelung, Verschattung, Schwammstadt und Ähnliches wurden hier ins Spiel gebracht, aber auch soziale Faktoren müssten berücksichtigt werden. Schließlich: „Nur Anpassungsfähigkeit der Kommunen schafft eine ökonomische Wertstabilität“, so die Präsentatoren.
Cate Blanchett: „Kreativität ist die Kehrseite der Zerstörung“
Unter heftigem Blitzlichtgewitter tritt nach den Präsentationen schließlich Stargast Cate Blanchett auf die Bühne. Und auch in diesem Gespräch lag der eindeutige Fokus auf Lösungen anstatt auf Problemen. Für lockere drei Staffeln ihres neuen Audible-Podcasts Climate of Change hätte sie genügend Material, so viele Ideen und Ansätze gebe es, erzählt die gebürtige Australierin. Darunter Lösungen für Probleme, die uns gar nicht bewusst seien, so Blanchett, und gibt ein Beispiel: „Wenn wir über Elektromobilität sprechen, denken wir bei den Herausforderungen meist an die Batterien. Aber auch der Abrieb von Reifen ist ein riesiges Problem – dabei entsteht ein feiner Staub aus Mikroplastikpartikeln, den wir einatmen und der Luft und Wasser verschmutzt. Nun hat ein Unternehmen einen Reifen entwickelt, der wesentlich länger hält und viel weniger Abrieb hat.“
Leider seien Regulatorien und Gesetzgebungen immer hinterher – aber wir als Konsumenten könnten Einfluss ausüben über unser Konsumverhalten. Ein naheliegendes Beispiel sei natürlich die Modeindustrie, aber auch der Gebäudesektor: „Ich selbst lebe in UK, dort hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan – und ich glaube, ein wesentlicher Einfluss dafür sind die europäischen Standards. Viele Freunde von mir orientieren sich an der EU, wenn es um den Bau von Häusern geht, beispielsweise am Passivhaus.“
Das Wharf Theater
In ihrer Rolle als Künstlerische Leiterin initiierten und begleiteten Blanchett selbst und ihr Ehemann Andrew Upton den Umbau des Wharf Theaters, eines denkmalgeschützten Gebäudes im Hafen von Sydney. Erbaut zwischen 1829 und 1919 als Teil des Industriehafens, wurde das Gebäude am Beginn der 80er Jahre revitalisiert und beherbergt seitdem die Sydney Theatre Company. In diesem Sinne sei das Gebäude schon vor ihrem Zutun durch diese Nachnutzung ein Beispiel für Nachhaltigkeit gewesen.
Das Ziel von Blanchett und Upton bei ihrem Einstieg 2008 sei es gewesen, auch die Umgebung zu beleben: „Wir wollten das Viertel aktivieren, denn um das Gebiet herum entstand ein neuer Stadtteil, und das Theater sollte sich in die Umgebung einfügen und eine Art Mikroökonomie hervorbringen.“ Gleichzeitig sollte das Theater eine positive Assoziation mit Nachhaltigkeit fördern: „Das Theater ist ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um sich selbst zu vergessen und unterhalten zu werden. Und wir sind der Meinung, dass, wenn wir unseren CO2-Fußabdruck auf nahezu Null reduzieren, die Menschen einen Diskurs über Nachhaltigkeit führen können, der von positiven Assoziationen geprägt ist.“ 18 Monate dauerte der Umbau. Und man habe die Erfahrung gemacht, dass man durch die Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch neue Publikumsschichten angesprochen habe: „Plötzlich kamen viele Wissenschaftler ins Theater und wir waren wieder relevant.“
Zwischen dem Schutz von historischer Substanz und der Implementierung von nachhaltigen Technologien sah Blanchett keinen Widerspruch: „Beim Erhalt der Historie geht es stark um Ästhetik – zahlreiche Nachhaltigkeitsmaßnahmen können aber völlig unsichtbar umgesetzt werden. Letztlich ist es wichtig, dass Gebäude dynamische, lebendige Räume bleiben, die den Menschen einen Mehrwert bieten. Wir brauchen keine perfekt erhaltenen historischen Gebäude, die letztlich wie Mausoleen und Denkmäler wirken. Was Gebäude schön macht, sind die Menschen, die sie nutzen.“