
„Design ist die Lösung von Konflikten": Francesca Lanzavecchia über ihre poetischen Leuchten für Foscarini
Mit Allumette und Tilia hat Francesca Lanzavecchia zwei Leuchten für Foscarini entworfen, die zeigen, wie nah sich Technik und Emotion sein können. Im Gespräch erklärt die Designerin, warum sie Asymmetrien liebt und weshalb gutes Design immer auch Empathie bedeutet.
Design soll berühren, findet Francesca Lanzavecchia – nicht durch reine Ästhetik, sondern durch Bedeutung. „Ich möchte Objekte schaffen, zu denen Menschen eine persönliche Bindung aufbauen, sodass sie wertgeschätzt und über die Zeit hinweg bewahrt werden“, sagt sie.
Für sie ist Gestaltung immer auch ein Werkzeug, um Konflikte zu lösen – zwischen Körper und Objekt, zwischen Funktion und Emotion. Diese Haltung prägt auch ihre Zusammenarbeit mit Foscarini, für die sie zwei Kronleuchter entworfen hat: Allumette und Tilia.
Eine gemeinsame Vision
Die Zusammenarbeit begann beim Salone del Mobile in Mailand. „Wir haben uns mit Foscarini getroffen und sofort eine Beziehung gegenseitigen Interesses aufgebaut“, erinnert sich Lanzavecchia. „Ich glaube, sie wollten verstehen, wie mein Ansatz – die ständige Suche nach dem Staunen und der Überraschung im Alltag – mit ihrer eigenen Ausdrucksform in einen Dialog treten könnte.“
Was sie an Foscarini besonders schätzt: „Mich hat die Vision von Foscarini schon immer fasziniert – Design nicht nur als Industrie zu sehen, sondern als eine Manufaktur von Träumen, die durch ihre Projekte Menschlichkeit vermittelt – immer mit einem subtil surrealen Unterton.“
Zwei Leuchten, zwei Ansätze
Allumette und Tilia sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, haben aber eine gemeinsame Idee: Licht soll Atmosphäre schaffen, nicht nur Helligkeit. „Beide Kronleuchter sind mehr als reine Objekte. Sie nehmen eine zentrale Rolle im Raum ein, tun dies aber mit Leichtigkeit – in einem feinen Gleichgewicht zwischen Technik, Ausdruck und Poesie“, erklärt Lanzavecchia.
Allumette – das Spiel der Gegensätze
„Allumette“ bedeutet „Streichholz“ und verweist auf die Idee eines Lichts, das sich sanft entfaltet. Der Entwurf basiert auf einem technischen und strukturellen Ansatz und umfasst eine Familie von Kronleuchtern, die für die zentrale Platzierung im Raum konzipiert wurden. Im Fokus steht das Spiel mit starken Materialkontrasten sowie mit Gegensätzen wie Asymmetrie und Ausgewogenheit, Leichtigkeit und Substanz, strenger Geometrie und weichen Linien. Die Form erscheint zunächst statisch und abgeschlossen, wurde jedoch so gestaltet, dass sie nie endgültig ist: Aus jedem Blickwinkel zeigt sich ein anderes Bild – Ausdruck einer kontinuierlichen Suche nach kompositorischem Gleichgewicht.
Ein Bezug zu historischen Modellen war durchaus beabsichtigt. „Sarfattis Kronleuchter ist ein ikonisches Design und war eine wichtige Inspirationsquelle – weniger in der Form, sondern in seiner Art, die technische Komponente sichtbar zu machen“, so Lanzavecchia.
Das Licht bei Allumette fließt durch transparente Methacrylat-Röhren und tritt an den angerauten Enden aus. „Ich wollte eine Lichtwolke über dem Tisch erschaffen“, sagt sie. „In dem Moment, in dem die Leuchte eingeschaltet wird, erwachen die transparenten Elemente zum Leben und die gesamte Balance des Objekts verändert sich.“
Tilia – organisches Wachstum in Lichtform
Ganz anders wirkt Tilia: Sie orientiert sich an natürlichen Wachstumsprinzipien und mathematischen Strukturen. „Ich wollte ein Lichtsystem schaffen, das nicht starr wirkt, sondern sich scheinbar organisch im Raum ausbreitet – mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie ein lebendiger Organismus.“
Tilia wird es in zwei Varianten geben – eine kompaktere und eine größere, expressivere. „Das Licht von Tilia ist weich, warm und umhüllend. Die Diffusoren aus opalmattem Borosilikatglas erzeugen eine fast luftige Lichtstimmung – wie eine Wolke, die im Raum schwebt.“
Die technische Raffinesse wird dabei nicht versteckt. „Statt sie zu verbergen, werden die Verbindungen zu kleinen Schmuckstücken“, erklärt Lanzavecchia. Gemeinsam mit Matteo Urbinati, Design-Koordinator bei Foscarini, entwickelte sie die Idee weiter: „Wir wollten eine neue ‚botanische Spezies‘ des Lichts schaffen, die sich nach ihren eigenen Wachstumsprinzipien ausbreitet.“
Schönheit im Unvollkommenen
Asymmetrie und kleine Dissonanzen spielen in Lanzavecchias Arbeit immer eine Rolle. „Wir leben in einer Welt perfekter Objekte – dabei sind wir als Menschen unvollkommen und unterschiedlich. Ein asymmetrisches Objekt kann uns dadurch näher erscheinen, fast menschlicher.“
Gerade diese Unvollkommenheit sieht sie als entscheidend für emotionale Gestaltung. „Nicht alle Unternehmen akzeptieren asymmetrische Entwürfe, da sie in der Produktion aufwendiger sind. Aber für mich liegt die wahre Schönheit genau in dieser Unvollkommenheit.“
„Design fordert uns dazu auf, über Dinge nachzudenken, Bestehendes weiterzuentwickeln und zu verbessern, eine positive Veränderung herbeizuführen und Gegensätze in einen Dialog zu bringen.“
Empathie ist für sie dabei zentral – auch in Details, die man kaum bemerkt. „Manchmal erhöhe ich ein Sofa um drei Zentimeter, ohne es dem Unternehmen zu sagen – weil ich weiß, dass es älteren Menschen das Aufstehen erleichtert.“
Zum Schluss fasst sie ihre Philosophie in einem Satz zusammen: „Design lässt uns für immer ein Stück weit Kind bleiben. Es öffnet unsere Augen und lehrt uns, das Staunen in der Welt um uns herum zu erkennen. Wenn das nicht der Schlüssel zum Wohlbefinden ist, dann weiß ich nicht, was es sonst sein könnte.“
Bilder und Titelbilder: © Giuliano-Koren