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Das Prinzip Architektur
Wie weit liegen Architektenhaus und Fertighaus wirklich noch auseinander?
Vier Experten aus zwei Branchen diskutieren.
Auf den ersten Blick scheint die Frage simpel: Fertighaus oder Architektenhaus? Doch wer mit offenen Augen durch moderne Wohnsiedlungen geht, merkt schnell, dass diese Unterscheidung längst nicht mehr so eindeutig ist wie früher. Die Grenzen verschwimmen, mit dem Begriff des Fertighauses sind Hersteller längst nicht mehr glücklich. In der Diskussion geht es weit mehr als um Bauweise, es geht um eine architektonische Grundhaltung: Wie gestaltet man Wohnhäuser, die für den Nutzer gebaut sind? Die Nachhaltigkeit und Ästhetik unter einen Hut bringen und so für lang anhaltende Lebensqualität sorgen? Diese und andere Punkte besprechen vier Experten aus zwei Branchen, die doch mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint.
Herr Bodrožić, Herr Heizeneder, Sie gestalten individuelle Architektenhäuser – wie würden Sie Ihr persönliches Architekturverständnis beschreiben?
Bodrožić: Wir machen maßgeschneiderte Architektur – ich weiß, das klingt abgedroschen, aber ich kann es nicht anders sagen. Es geht darum, möglichst hochwertige, langlebige Architektur zu produzieren, die auf die persönlichen Wünsche der Bauherrn eingeht. Wir bauen in erster Linie Villen und große Einfamilienhäuser für Private – das ist jedes Mal eine andere Aufgabe, für die man auch immer einen anderen Zugang braucht. Zu einer Architektur ohne Ablaufdatum gehört auch die entsprechende technische Ausstattung: Ich baue seit 20 Jahren ausschließlich Niedrigenergiehäuser mit Dingen wie Wärmepumpen und Wohnraumlüftung. Das ist keine Beschränkung in der Architektur, sondern erhöht die Lebensqualität.
Heizeneder: Ich kann das alles nur bestätigen – Zoran ist die Generation vor uns, und wir bauen auf seinem Credo auf. Unsere Grundphilosophie ist zuzuhören. Archiguards gibt es seit 1995, wir haben schon parallel zum Studium angefangen. Wir bedienen auch einen privaten Markt, aber nicht nur den Einfamilienhaussektor, sondern auch Büro, Umbau, Ausbau, Neubau – und die verschiedenen Genres befruchten sich gegenseitig sehr gut.
Herr Huf, Herr Niedersüß, wie stehen Sie eigentlich zu dem Begriff Fertighaus?
Huf: Mit dem Begriff Fertighaus werben wir nicht unbedingt – wir bezeichnen unsere Häuser als Architektenhäuser in Fertigbauweise. Unser Anspruch ist es, nicht nur im Material und der Technik nachhaltig zu sein, sondern auch, was das Design angeht. Ein gutes Design sieht in 50 Jahren immer noch zeitlos und elegant aus. In der Herstellungsweise bin ich ein absoluter Verfechter des Fertighauses. Denn Fertigbau heißt, dass alle Elemente im Werk vorgefertigt werden – und zwar unter bestmöglichen Bedingungen, um einen reibungslosen Aufbau auf der Baustelle zu garantieren.
Niedersüß: Ich sehe das ähnlich. Wir identifizieren uns auch nicht mit dem Begriff Fertighaus, aber es gibt aktuell keinen treffenderen. Leider hat das Fertighaus immer noch einen billigen Beigeschmack – und früher war das auch das Hauptmotiv. Heute ist das anders. Jetzt kauft man ein Fertighaus, weil es kontrollierte Qualität bietet mit geprüften Bauteilen. Uns ist auch wichtig, nachhaltig, ökologisch, ökonomisch zu bauen – im Sinne einer Total Cost of Ownership. Wir versuchen für den Kunden zu bauen – wie lebt er jetzt, was ist für die Zukunft geplant, wie soll das Interieur aussehen. Wir versuchen natürlich eine gewisse Standardisierung umzusetzen, weil wir vorgefertigt produzieren.
Griffner hat gemeinsam mit F. A. Porsche Design das Floating House entworfen – wie bringt man dabei ein Gesamtdesignkonzept und Individualisierung unter einen Hut?
Niedersüß: Auch dieses Haus kann man anpassen. Es gibt natürlich gewisse Regeln, gewisse Designelemente, die das Floating House zu dem machen, was es ist. Das ist die Form, die Dachform, ein gewisses Längen-Breiten-Verhältnis, die Aufteilung der Fenster, aber in diesem Rahmen kann ich mich bewegen. Das „Original“ hat beispielsweise 220 Quadratmeter – für manche ist das zu groß, dann skalieren wir das Achsmaß so, dass der Grundriss und das Design gewahrt bleiben, aber die Räume etwas kleiner werden.
Architektur muss bis zu einem gewissen Grad flexibel sein – sich an veränderte Lebensumstände anpassen. Beim Treehouse haben Sie ja gemeinsam, Herr Bodrožić und Herr Heizeneder, ein solcherart flexibles Haus geplant – wie sieht das Konzept aus?
Bodrožić: Das Treehouse ist ein Generationenhaus, das darauf ausgelegt ist, sich zu verändern. Die Grundidee war eine gemeinsame Nutzung der Erdgeschoßzone und des Gartens. In der Mitte befindet sich ein zweigeschoßiges Wohnzimmer mit Balkonen, in dessen Verlängerung zwei Ebenen mit Lofts sind. Jedes dieser Lofts kann in zwei Räume geteilt werden und hat außerdem ein eigenes Bad. Im Dachgeschoß gibt es noch einen Pavillon mit den weiteren Aufenthaltsräumen.
Heizeneder: Wir in dieser Runde sind ja auch alle in der Verantwortung, schon früh kritische Fragen zu stellen – immerhin zählt jeder Quadratmeter, und der Flächenfraß in Österreich ist nach wie vor enorm.
Bodrožić: Genau, deshalb haben wir auch stark auf Entsiegelung gesetzt: Ursprünglich war der ganze Hof von der vorherigen Nutzung komplett versiegelt, alles, was jetzt grün ist, war betoniert. Unser Ziel war es, die Grünfläche zu maximieren – und tatsächlich haben wir jetzt auf dem Grundstück bis auf ein paar Wege keine versiegelten Flächen, denn die Dachflächen habe eine intensive Begrünung.
Herr Heizender, Sie haben bei diesem Projekt die Innenarchitektur umgesetzt.
Heizeneder: Wir sind erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Projekt eingestiegen – der Entwurf war bereits abgeschlossen und der Bau hatte schon begonnen. Unsere Aufgabe war es dann, dem Ganzen vereinfacht gesagt noch ein „Look and Feel“ zu geben, den Loft-Charakter hervorzustreichen: Es gab schon viele schöne Oberflächen – Sichtbeton an der Decke und einen geplanten Terrazzoboden. Unsere Rolle war es, diese bestehende Gestaltung noch stärker mit einer Identität aufzuladen, die auf die künftigen Nutzerinnen und Nutzer des Mehrgenerationenhauses abgestimmt ist. Bis hin zu Kunstwerken – etwa Graffitis, die Künstler im Fluchtstiegenhaus angebracht haben – haben wir versucht, diesem Ort, der ohnehin schon lebendig war, noch eine zusätzliche, eigene Identität zu verleihen. Innen und Außen eines Einfamilienhauses müssen in einem integrativen Prozess entstehen. Gerade erst haben wir mit Zoran gemeinsam bewiesen, wie wichtig das ist – bei einem Haus im dritten Bezirk, bei dem wir gewerksübergreifend einander zugearbeitet haben. Das sieht am Ende sehr einfach aus, aber in jedem Raum stecken viele Stunden Planung und Konzeption.
Passiert es auch, dass Häuser später umgestaltet werden?
Heizeneder: Natürlich. Lebensverhältnisse ändern sich. Da werden wir immer wieder gefragt und bekommen immer wieder die Chance, in unser Werk einzugreifen. Oft ist das auch eine spannende Herausforderung, die wir als Generalisten auch gut umsetzen können.
Herr Huf, Herr Niedersüß, können auch Ihre Häuser viele Jahre später noch adaptiert werden?
Huf: Das gehört zu unserem Daily Business – ein Grundriss ist, durch die verschiedenen Lebensphasen hinweg, immer ein Kompromiss, da muss man immer wieder ein Stück weit umbauen, anbauen, renovieren. Dadurch, dass wir da von Beginn an ein ganzheitliches Konzept haben – inklusive Möbelplanung, Lampen, Einbauschränke, Küchen, die wir auch in unseren eigenen Hallen und Produktionsstätten fertigen –, machen wir das sogar sehr gerne – bis hin zur Badsanierung, Aufstockung, Anbauten. Wir haben eine eigene Abteilung, die sich nur um die Bestandskunden kümmert. Aber wir haben natürlich auch unser eigenes Archiv, sodass wir sehen: Kunde XY wohnt in Wien, wir wissen ganz genau, welchen Wandaufbau, welche Statik dieses Haus hat und können auf Papier, über Telefon oder online relativ schnell eine Planungsgrundlage bilden und zielgerichtete Budgets abgeben.
Heizeneder: Dazu habe ich eine Frage an die Herren – ein wichtiger Teil bei späteren Umbauten ist natürlich auch die Abstimmung mit den Gegebenheiten der Flächenwidmung, denn das ist ja auch ein Teil des Architekturseins, dass man sich manchmal mehr als Jurist fühlt mit den unterschiedlichen Bauordnungen. Auch der Umgang der Gemeinden mit Gebäudehöhen ist ja oft ganz unterschiedlich. Wie macht ihr das, intern oder ausgelagert?
Huf: Wir machen das alles intern – von der ersten Zeichnung bis zur Übergabe haben wir den gesamten Prozess in der eigenen Hand. Das bedeutet auch, dass wir das ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern umsetzen – jeder Handwerker, Fliesenleger, Elektriker kommt von uns.
Niedersüß: Wir sind natürlich deutlich kleiner als HUF Haus, begleiten aber den Kunden natürlich auch über den ganzen Weg. Wir planen mit dem Kunden, sehen uns mit ihm gemeinsam das Grundstück an: Gibt es Grenzabstände, die wir einhalten müssen, geht sich das Haus auf dem Grundstück aus, müssen wir etwas ändern? Wir klären das dann auch mit der Gemeinde ab – gerade in Österreich kann das manchmal ein bisschen, nennen wir es: komplexer sein –, dann nehmen wir einheimische Architekten, die die „Sprache“ sprechen. Nach Tirol schicken wir zum Beispiel keinen Kärntner.
Wie steht es mit Zu- und Umbauten?
Niedersüß: Auch die machen wir natürlich, es gibt eine Abteilung, die Bestandskunden betreut. Allerdings haben wir nicht alles intern – wir haben eigene Einrichtplaner, Statik vergeben wir meist. Beim Handwerk – Elektriker, Fliesenleger und ähnliches – haben wir in ganz Österreich Partner, mit denen wir zusammenarbeiten.
Herr Bodrožić, Ihre Häuser werden auch gerne als Filmkulissen genutzt. Warum?
Bodrožić: Ja, das stimmt, ich glaube, in fast jedem Haus, das ich jemals gebaut habe, wurde schon gedreht, wenn es die Bewohner zugelassen haben. Das liegt sicher auch an den offenen Räumen – ich versuche immer, einen kontinuierlichen Raum zu schaffen. Natürlich gibt es Nutzräume, aber meine Häuser haben keine vordere und hintere Seite. Das erleichtert die Kameraführung, man muss wenig umgestalten. Auch die Ausblicke nach außen sind interessant für die Dreharbeiten.
Herr Heizeneder, ihr erstes privates Neubauprojekt Haus L wurde 2005 zum besten Haus Wiens gewählt. Was macht ein „bestes“ Haus aus?
Heizeneder: Das war eines unserer ersten Gartensiedlungshäuser, eine Art von Haus, die ja eine Wiener Besonderheit ist. Wir haben uns dort eingegraben, einen Teil des Hanges abgegraben. In der Erde ist Stahlbeton, oben haben wir ein Riegelhaus davorgesetzt. Unten ist die Küche, und oben haben wir einen weißen, luftigen Raum geschaffen mit einem großen Fenster – unserem ,Vier-Jahreszeiten-Bild‘. In einer Gartensiedlung muss man sehr kompakt bauen, da gibt es weniger Wände zu bespielen, deshalb haben wir mit Ausblicken gearbeitet. Man muss dazusagen, das Haus wurde 2000 geplant, da waren diese großen Glasflächen noch eher unüblich. Das hat die
Jury damals überzeugt.
Jeder Architekt, jedes Architekturstudio hat seine persönliche Architektursprache – ich frage in die Runde: Wie sieht Ihre aus?
Niederüß: Der Begriff „Architektursprache“ ist für uns vielleicht ein bisschen hochtrabend. Wir haben definierende Elemente: die Holzfassade und die offene Schalung beispielsweise. Aber wir lassen unseren Planern immer die größtmögliche Freiheit. Wir können mit der Dachneigung, mit dem Dachüberstand spielen, mit der Länge, mit der Breite, mit der Anzahl und Größe der Fenster. Und obwohl wir unsere eigene Formensprache haben, erheben wir den Anspruch, dass wir jeden Architektenentwurf umsetzen können, solange er als Holzbau geplant ist. Wir arbeiten auch gerne mit Architekten zusammen, die die Kunden selbst mitbringen.
Herr Huf, Sie führen das Familienunternehmen jetzt in vierter Generation – wie sieht das HUF Haus der Zukunft aus?
Huf: Ein HUF Haus bleibt „das HUF Haus“. Das Selbstbewusstsein haben wir, dass wir Anfang der 70er-Jahre eine moderne Fachwerkhausarchitektur kreiert haben und dies bis heute unser Alleinstellungsmerkmal ist, so wie wir Design verstehen. Natürlich beginnt jedes Haus auf dem weißen Papier, wird für jeden Bauherrn individuell geplant, aber in unserer Architektur. Und das macht es am Ende aus, ein individuelles Architektenhaus zu bekommen, aber den Wiedererkennungswert immer wieder neu zu haben. Ich liebe Tradition, ich liebe unsere eigene DNA, ich liebe unsere Werte, die wir hier in Hartenfels im schönen Westerwald vertreten, inklusive Designsprache und Co. Das werde ich in meiner Generation nie verändern. Wir werden optimieren – was Energie betrifft, Material und Effizienz. Aber unsere Architektur-DNA bleibt erhalten.
Heizeneder: Was die DNA angeht, kann ich diese Firmenphilosophie nur bestätigen – man muss sich treu bleiben. Ansonsten sehe ich bei uns das Gegenteil: Bei uns weiß man nicht, was man bekommt – aber das meine ich im positiven Sinne. Unsere Auftraggeber kommen mit einer Idee hin, und unser Anspruch ist es, das Optimum aus dieser Idee und für diesen Kunden herauszuholen. Keine zwei Häuser sehen gleich aus, weil keine zwei Auftraggeber gleich sind.
Bodrožić: Jeder Ort hat eine Seele, den Genius Loci. Den muss man spüren – dann wird die Architektur an die Person und den Geist des Ortes angepasst. Das ist für uns alle spannend – es ist der Prozess, aus dem das Haus entsteht. Keiner der Zugänge ist besser als der andere, jeder muss das Richtige für sich finden. ∏