Während die Welt nach nachhaltigen Baulösungen sucht, kehrt ein Material triumphierend zurück. Im Herzen Manhattans wächst ein Baum sogar durch alle Etagen eines Wohnhauses.
Ein Baum, der durch das Zentrum eines Wohnhauses in Manhattan wächst. Holz, das lebt, atmet und Geschichten erzählt. Dieses architektonische Kuriosum mitten in New York steht sinnbildlich für eine neue Haltung im Bauen: weg vom glatten, toten Material hin zu organischer, erfahrbarer Architektur. Holz – sei es neu oder alt – ist Träger von Atmosphäre, Identität und Nachhaltigkeit. Und es kehrt jetzt mit neuer Kraft in die Architektur zurück.
Die Wiederentdeckung des Altholzes
Besonders spannend: Altholz. Es bringt eine Patina mit, die kein neu geschnittenes Brett je erreichen kann. Die sichtbaren Spuren von Witterung, Gebrauch und Zeit verleihen dem Material Charakter und Authentizität. Ein überzeugendes Beispiel für den Einsatz von Altholz ist das Hotel Bühelwirt im Ahrntal in Südtirol, geplant vom Architektenduo bergmeisterwolf. Für den Erweiterungsbau des traditionsreichen Hauses wurde Altholz gezielt verwendet, um eine Verbindung zur bäuerlichen Baukultur herzustellen. Die Fassade besteht aus sägerauem, unbehandeltem Lärchenholz, das mit der Zeit silbergrau verwittert – ein bewusster gestalterischer Akt, der Alterung als Qualität versteht. Im Inneren dominieren Fichtenholzverkleidungen aus recyceltem Bestandsholz, kombiniert mit Sichtbeton und Schwarzstahl. Das Zusammenspiel aus grober Textur, klarer Geometrie und regionalen Materialien erzeugt eine Atmosphäre, die sowohl archaisch als auch zeitgemäß wirkt. Das Projekt zeigt exemplarisch, wie Altholz nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch aus funktionaler und kultureller Perspektive eine starke Rolle spielen kann.
Auch aus ökologischer Sicht ist Altholz wertvoll: Durch die Wiederverwendung werden graue Energie und CO₂-Emissionen reduziert. Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Baubiologie (IBO) spart die Verwendung von 1 m³ Altholz im Vergleich zu Frischholz rund 0,8 Tonnen CO₂ ein, da keine neue Trocknung oder aufwendige Verarbeitung notwendig ist.
Ressourcen nutzen: Der eigene Wald als Rohstofflieferant
Die Integration lokaler Holzressourcen in Bauprojekte ist ein zukunftsweisender Weg, Nachhaltigkeit konkret umzusetzen. Das Apartmenthaus Anna Katharina in Fieberbrunn in Tirol nutzt Holz aus dem eigenen Wald – vom Schlagen der Bäume bis zur Verarbeitung vor Ort. Dieser konsequent regionale Ansatz reduziert Transportemissionen, stärkt das lokale Handwerk und schafft eine starke Identität des Bauwerks.

Ein großer Vorteil: Der CO₂-Fußabdruck dieses Bauvorhabens liegt rund 35% unter dem vergleichbarer Projekte mit industriell gefertigtem Holz. Zudem bleibt das im Holz gebundene CO₂ über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes gespeichert – bei einem Einfamilienhaus aus Holz können das bis zu 40 Tonnen sein.
Gleichzeitig fungiert das Projekt als gelungenes Beispiel für tourismusorientierte Architektur im alpinen Raum. Das Design respektiert die Landschaft und spielt mit traditionellen Elementen, ohne in Kitsch zu verfallen. Die ästhetische Qualität entsteht durch das Zusammenspiel von Materialechtheit, klarer Formensprache und handwerklicher Präzision.
Vertikale Visionen: Das erste Holzhochhaus für Innsbruck
Urbaner Holzbau hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. In Innsbruck entsteht derzeit das erste Holzhochhaus der Stadt. Das siebengeschossige Verwaltungsgebäude der Tiroler Versicherung wird von DIN A4 Architektur geplant und realisiert. Neben der Tragstruktur aus Brettsperrholz überzeugt das Projekt durch eine 220 m² große Grünfassade, in die 162 Pflanzentröge und 13 Bäume integriert sind. Holzbau trifft hier auf Fassadenbegrünung und schafft nicht nur Arbeitsräume, sondern auch ökologische Mehrwerte im städtischen Kontext.
Technisch stellt das Projekt hohe Anforderungen an Brandschutz, Statik und Schallschutz. Durch die Kombination von CLT-Elementen (Cross Laminated Timber) mit innovativen Isolier- und Dämmstoffen wurde eine Luftschalldämmung von bis zu 55 dB zwischen den Etagen erreicht – ein Wert, der auch im Stahlbetonbau als anspruchsvoll gilt. Die CO₂-Ersparnis gegenüber einem konventionellen Bau liegt laut Berechnungen der Projektbeteiligten bei rund 60 Tonnen pro Etage.

84 Meter und 4500 Kubikmeter Fichtenholz
Einen Rekord hält in Sachen Holzhochhaus ebenso Österreich. Caroline Gager-Palfy hat das weltweit erste Hochhaus aus Holz in der Seestadt Aspern konzipiert. 84 Meter misst das Bauwerk, das 24 Stockwerke aus etwa 4500 Kubikmeter Fichtenholz beheimatet und somit das erste Holzhochhaus der Welt ist. „Das gesamte Holz, das im Hoho verbaut wird, wuchs rein rechnerisch in einer Stunde und 17 Minuten wieder nach“, so Gager-Palfy, Projektentwicklerin des Hoho Wien, in einem Interview. Und auch im Inneren „lebt es“: es wurde ganz bewusst auf eine Innenverkleidung, auf Tapeten oder Lackierung verzichtet – und so duftet es jetzt nach Wald.
c) Bühelwirt; Kitzbühel Tourismus; beigestellt