Ein Gespräch mit dem Architekten und Designer über seine Vorarlberger Wurzeln, die Herausforderungen nachhaltigen Designs und warum auch zeitlose Möbel scheitern dürfen.
Der Vorarlberger Architekt und Designer Christian Kroepfl gestaltet Möbel, die sich nicht in den Vordergrund drängen – und gerade dadurch wirken. In seinen Wiener und Hohenemser Ateliers entstehen Serien- und Einzelstücke aus Massivholz und Stahl, die durch ihre klare Formensprache und funktionale Präzision überzeugen. Dabei geht es ihm nie nur um Ästhetik, sondern immer auch um die Frage: Wie können wir mit Ressourcen verantwortungsvoll umgehen – in einer Zeit, in der Kreislaufwirtschaft zur Notwendigkeit geworden ist? Ein Gespräch über regionale Verwurzelung, globale Herausforderungen und die Freiheit, auch mal zu scheitern.
Sie sind ja gebürtiger Vorarlberger. Das Bundesland gilt als internationaler Vorreiter im Bereich Holzbaukunst. Haben Sie diese Wurzeln in Ihrer Arbeit beeinflusst – gestalterisch, aber auch im Denken über Ressourcen?
Ja, definitiv. Vorarlberg erlebte mit der Neuen Vorarlberger Bauschule seit den 60ern und vor allem in den 80er und 90er Jahren einen regelrechten Boom in der Holzbaukunst – damals sehr stark mit der ersten Welle von Architekten wie Hans Purin, Leopold Kaufmann und Rudolf Wäger bzw. später Baumschlager Eberle, Roland Gnaiger, Gohm und Hiessberger oder Much Untertrifaller. Es gab und gibt wirklich viele gute Leute. Das Bauen hatte in Vorarlberg schon immer einen hohen Stellenwert.
Die Menschen dort hatten oft ein geerbtes Grundstück, und jeder konnte bauen. Das hat sich dann in den 2000er Jahren verändert, als sogar Double-Income-No-Kids-Haushalte sich das nicht mehr leisten konnten, da die Preise in die Höhe schossen. Oft ging es dann nur noch um das Bauen oder um das Grundstück.
Was Vorarlberg auszeichnet: ein stolzes Handwerk, besonders im Bregenzerwald – die Menschen sind stolz auf ihr gutes Handwerk. Das ist ein Problem, das ich in Wien sehe: Dort läuft alles über den Preis – das führt zur Vernichtung guten Handwerks.
Polemisch gesagt: In Niederösterreich zum Beispiel plant der Baumeister den Grundriss zwanzigmal, und dann ändert der Kunde nur die Farbe – es entsteht immer die gleiche Hütte. In Vorarlberg hingegen gingen die Leute oft zum Architekten.
Es wurde und wird inzwischen nicht mehr nur im Westen auch viel Innovatives gemacht, wie Holzhochhäuser. Österreich hat auf die kleine Fläche gesehen verglichen mit anderen europäischen Ländern viel Forstwirtschaft – gut bewirtschaftet.
Zum Umgang mit Ressourcen: Ein Architekt hat immer gelernt, ein Detail möglichst ökonomisch umzusetzen.

Wie sehen Sie die Entwicklung des nachhaltigen Möbeldesigns in Österreich – und wo liegt Österreich im internationalen Vergleich?
Ich selbst habe kürzlich wieder im Grand Palais in Paris ausgestellt – dort waren auch das Pariser Atelier mit österreichischem Background KARAWITZ oder der Vorarlberger Much Untertrifaller mit seiner Pariser Zweigstelle, die Vorarlbergerin VERTESSI oder das französisch-vorarlberger Atelier Bloomboom dabei. Man hat dort auch einige Produzenten aus Österreich gesehen.
Man muss hier aber sehr aufpassen zwischen Schlagwort und Substanz. In Österreich stehen wir nicht schlecht da, aber die Kunden sind oft überfordert. Es hat lange auch niemand richtig kontrolliert, wenn jemand das Label „Nachhaltigkeit“ aufgeklebt hat. Die Leute kommen sich daher auch oft belogen vor.
Viele Firmen rudern momentan wieder zurück. Die Politik hat die Firmen quasi im Stich gelassen und zu wenig präzise und beständige Vorgaben gemacht. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.
Wenn man nach Italien schaut: Die sind gut im Marketing. Was dahinter steckt, ist aber ein anderes Thema, denn sie sind immer noch mehr im Glamour-Bereich unterwegs. Der Salone del Mobile u.v.a. die Fuori in Mailand sind zwar beeindruckend aber in erster Linie eine Show.
Frankreich ist ganz stark: Dort gibt es andere Vorgaben. Die nehmen das auch seit der Hitzekatastrophe 2003 sehr ernst. Das sieht man generell in Paris, etwa beim Radfahren und Umweltschutz – sie sind extrem konsequent. Die Leute akzeptieren politische Entscheidungen dann auch. Das wäre in Österreich mit etwas mehr Mut sicher auch möglich.

Kroepfl&Fredes for Guut Finiix
Begegnet Ihnen im Ausland manchmal mehr Offenheit für nachhaltige Konzepte – oder ist es eher die lokale Verankerung, die nachhaltiges Design ermöglicht?
Vor allem in Frankreich – da gibt es definitiv mehr politischen und gesellschaftlichen Druck. In Österreich sind wir eher Einzelkämpfer. In Deutschland sehe ich die Situation ähnlich wie in Österreich.

Tisch nivoo
Ihre Designs zeichnen sich durch Klarheit und Reduktion aus. Inwiefern ist diese Haltung auch ein Ausdruck von Nachhaltigkeit – sowohl formal als auch funktional?
Die Funktion bestimmt das Design. Ich bin Gestalter, Architekt und Produktdesigner. Auch Repräsentation kann eine Funktion sein – das habe ich lange abgelehnt, aber es ist so, man denke an einen Anwaltstisch oder einen Thron.
Reduktion ist wichtig, weil man im Detail spart. Hier geht es wieder um Ressourcennutzung und -schonung. Man denke an Serienproduktion – es geht immer um Effizienz, Kosteneffizienz. Bei Serien reduziert man gleich den ökologischen Fußabdruck.
Man sieht bei der von Kroepfl & Fredes für Guut entworfenen finiix-Serie oder meinen Entwürfen für Kindermöbel, dass wir sehr einfache Verbindungsstücke verwenden wollten. Die Höhe beim Tisch nivoo wird zum Beispiel mit einem Standard-Holzdübel eingestellt – den kann ich ganz einfach wieder bekommen und weiterverwenden. Es müssen eben nicht immer komplizierte Lösungen sein.

Tisch nivoo
Was bedeutet für Sie persönlich nachhaltiges Design und Circular Design – über das Material hinaus gedacht?
Circular Design bedeutet, dass man in Kreisläufen denkt – das ist einfach notwendig. Bis 2023 war dieser Begriff eher Fachkreisen geläufig, jetzt ist er im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit angekommen. Aber wenn man ehrlich ist: Architektur und Bauen waren schon immer kreislaufwirtschaftlich orientiert. Im Kärntner Zollfeld zum Beispiel sind fast in jedem alten Bauernstadl Steine von römischen Bauten drinnen, die einfach weiterverwendet wurden. Das haben die Menschen im bäuerlichen Leben immer gemacht.
Nur sind wir von der Industrie „verblödet“ worden beziehungsweise haben uns darauf freiwillig eingelassen. Ich persönlich gehe gerne zum Schneider und lasse Dinge flicken, oder trage klassische teilweise oft reparierte Lederschuhe. Ein gutes Beispiel: Der Stoff der Levi’s 501 aus den 70er Jahren war einfach hochwertiger.
Richtiges Denim ist jetzt sowieso wieder im Kommen – vor allem bei japanischen Labels merkt man das.
Es muss einem immer klar sein: Das Recycling sollte der letzte Schritt sein! Materialien sollten möglichst lang in einem Projekt bleiben.
Die Vermittlung von Circular Design ist wichtig: Das Konzept muss auf den Punkt gebracht werden. Design-Messen wie die, an denen ich teilnehme, sind spannend – man ist nah an den Menschen dran.
Kroepfl für Grössing
Sie sprechen von „zeitlosen“ Möbeln. Wie gelingt es, Langlebigkeit bereits in den Entwurf zu integrieren – ohne ins Nostalgische zu verfallen?
Das Problem ist, dass langlebige Dinge oft auch zeitlos aussehen müssen, nicht zu extravagant sein dürfen. Man kann dann Accessoires dazugeben, die kurzlebiger und vielseitig einsetzbar sein können. Damit kann man gut spielen.

Kroepfl for Harald Grössing
Langlebigkeit bedeutet, dass man nicht alle fünf Jahre die Couch austauschen muss. Lieber hochwertig, aber es muss keine Topmarke mit Preisaufschlag fürs Label sein. Es muss nicht altväterisch wirken. Moden kommen immer wieder – die Fast Fashion setzt auf Schnelllebigkeit. Bei Möbeln ist das zum Glück noch anders, da geht es mehr um neue Materialien, die prägend sind. Die Formen sind mal runder, mal eckiger.
Kintsugi, eine alte japanische Kunst, ist ein schönes Beispiel – dabei wird zerbrochene Keramik wieder zusammengefügt und die Bruchstellen werden durch Gold sichtbar gemacht. Wir hatten bei der letzten Circular Design-Show ein Repair-Café, damit die Leute verstehen, dass reparierte Stücke auch hochwertiger sein können als neue. Beim Design District möchte ich das wiederholen.
Die Leute sollen merken, dass sie manches leicht selbst machen können. Nicht bei YouTube schauen und dann scheitern, sondern von jemandem lernen, der es richtig kann. Es braucht meist nicht viel, es muss nur richtig gemacht werden. Ganz wichtig ist generell, das Handwerk aufzuwerten, und wenn man es selbst nicht kann, dann geht man zum Profi.
Dürfen nachhaltige Möbel auch scheitern? Oder anders gefragt: Wie viel Experiment verträgt ein ressourcenschonender Entwurf?
Natürlich dürfen sie scheitern. Sie scheitern regelmäßig. Es hängt davon ab, wie viele Ressourcen man reinsteckt. Es ist nicht nachhaltig, wenn man alle Werkzeuge für eine Serie macht und dann scheitert es.
Früher hat man gescheiterte Projekte trotzdem verkauft. Manche stellen halbfertige Produkte auf die Messe und schauen, wie sie ankommen. Andere haben das Konzept, dass sie nur mit fertigen Produkten auf die Messe gehen – mit hohem Risiko.
Österreicher präsentieren generell gerne fertige Produkte, Italiener gehen oft mit unfertigen auf die Messe und justieren dann beispielsweise nach.
Es wird regelmäßig vorkommen, dass nachhaltige Möbel scheitern. Oft liegt es an banalen Dingen. Zum Beispiel findet der Art Director ein Stück gut, aber der Verkauf nicht – als Designer erfährt man nicht immer alle Hintergründe. Es wäre wie Kaffeesudlesen, das vorhersagen zu wollen
Wenn Sie ein Möbelstück als Manifest für nachhaltiges Design gestalten würden – wie sähe es aus?
So etwas gibt es für mich nicht, denn ich bin kein Mensch, der ein Manifest für nachhaltiges Design macht. Ich glaube eher, dass Möbel den Menschen dienen, ihnen gefallen und für ihre Bedürfnisse nutzbar sein sollen. Ich möchte Objekte schaffen, die im Alltag hoffentlich bestehen.

Kroepfl for palatti
(c) Kapelari; Dr_Photo; Evelyn Wazek; Christian Kroepfl