So funktionieren clevere Interior-Lösungen für kleine Flächen

Der Esstisch klappt sich aus der Wand, das Sofa lässt sich zum Gästebett erweitern, und die Küche verschwindet hinter flächenbündigen Schiebetüren aus Rauchglas.

Abends ein vollwertiges Bett, morgens ein freigeräumtes Wohnzimmer. Tagsüber ein Arbeitsplatz mit Regalen und Beleuchtung – nachts eine ruhige Rückzugsnische hinter einer akustisch wirksamen Schiebetür.

Was auf den ersten Blick wie Designspielerei wirken mag, ist in Wahrheit Ausdruck einer neuen Wohnkultur: Raum ist nicht mehr statisch, sondern dynamisch. Und Möbel sind längst keine Objekte mehr, sondern Systeme – mit präziser Funktion, architektonischer Qualität und hoher technischer Raffinesse.

Mehr Strategie

Die Anforderungen an zeitgenössisches Interior Design sind hoch. Vor allem in städtischen Wohnungen, Mikroapartments oder im Kontext temporärer Wohnformen – von Co-Living bis Longstay – müssen Möbel mehr können als nur gut aussehen. Sie müssen Räume transformieren, Atmosphären schaffen und Bedürfnisse antizipieren. Multifunktionale, modulare und raumintelligente Lösungen sind deshalb nicht nur im kompakten Wohnen relevant, sondern definieren auch für die Möbelbranche neue Parameter: weniger Objektdenken, mehr Raumstrategie.

Ein zentraler Baustein ist die Entwicklung von Möbeln mit doppelter oder mehrfacher Funktion. Hersteller wie Clei oder Resource Furniture sind hier seit Jahren tonangebend. Wandbett-Systeme mit integrierten Regalen, Klapptischen oder Sofamodulen erlauben es, ganze Raumprogramme hinter einer eleganten Front verschwinden zu lassen.

Dabei geht es nicht mehr nur um platzsparende Lösungen, sondern um die Gestaltung kompletter Tagesabläufe – inklusive Licht, Akustik, Ergonomie und Bewegungsfluss. Die Trennung zwischen Möbel, Wand und Raumstruktur wird bewusst aufgehoben. Schlafen, Arbeiten, Essen, Empfangen – alles findet in Transformation statt.

Auch im Bereich der Tische hat sich eine stille Revolution vollzogen. Klassische Auszugstische wurden weiterentwickelt zu feinmechanischen Alleskönnern. Boffi etwa bietet höhenverstellbare Systeme, die sich vom Couchtisch zum Esstisch wandeln, Team 7 setzt auf handwerklich präzise Auszüge in Massivholz. Und Hersteller wie Müller Möbelwerkstätten oder Nils Holger Moormann zeigen, wie mit simplen Stecksystemen aus Tischplatten, Konsolen oder Sitzmodulen flexible Ensembles entstehen, die sich je nach Nutzung neu konfigurieren lassen.

Ein weiteres Schlüsselthema sind Raumtrenner mit Zusatznutzen. In offenen Grundrissen ersetzen sie Wände, zonieren subtil und schaffen Speichervolumen oder neue Funktionen. Besonders gefragt sind Systeme, die mehr als nur trennen: Regalstrukturen mit integrierten Schreibtischen, mobile Paneele mit Beleuchtung oder raumhohe Elemente, die gleichzeitig akustisch wirksam und ästhetisch prägnant sind. Porro etwa kombiniert raumbildende Boiserien mit versteckten Funktionen, Rimadesio bietet transluzente, verschiebbare Glasfronten mit technischer Integration. Auch Klassiker wie das 606-Regal von Dieter Rams erleben neue Anwendungen – als hybride Trennelemente zwischen Arbeiten und Wohnen.

Nischen-Nutzung

In kompakten Grundrissen gewinnen auch Raum-Nischen an Bedeutung. Statt ein Schlafzimmer als eigenen Raum zu planen, werden Schlafbereiche zunehmend als integrierte Module gedacht – eingebaut in Schrankwände, erhöht als Podest mit Stauraum oder verborgen hinter Vorhängen oder Schiebeelementen. Hersteller wie MDF Italia oder Living Divani arbeiten mit maßgefertigten Einbaumodulen, die als Schlafnischen, Rückzugsräume oder sogar Mini-Lounges funktionieren – akustisch entkoppelt und atmosphärisch ausgeleuchtet.

Parallel dazu hat das Homeoffice eine neue Möbeltypologie hervorgebracht: die integrierte Arbeitsplatznische. Was zunächst als Reaktion auf pandemiebedingtes Remote Work begann, ist längst eine neue Kategorie im Sortiment zahlreicher Premiumhersteller. So bieten beispielsweise Arper, Ligne Roset oder Bene kompakte Schreibpulte, die in Schranksysteme integriert oder als solitäre Mikro-Arbeitsplätze gedacht sind.

Oft lassen sie sich vollständig schließen – optisch ruhig, technisch aufgerüstet mit Steckdosen, Beleuchtung, Kabelmanagement und teilweise akustischer Dämpfung. Meist wird auf eine Aluminiumstruktur, Glaspaneele und ausziehbare Arbeitsflächen zu eleganten Workstations im Wohnkontext gesetzt.

Eine Zeitfolge

Küchen verschwinden hinter flächenbündigen Fronten, Betten wirken wie Teil der Wand, Stauraum wird ins Architekturkonzept eingebunden. Marken wie B&B Italia, Poliform oder Minotti setzen hier Maßstäbe – mit modularen Sofas, die als raumbildende Inseln funktionieren, Schranksystemen, die Räume definieren, oder Lounge-Möbeln, die mit integrierter Technik, Licht und Connectivity neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnen.

Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung in Konzepten, die Raum als Zeitfolge denken. Ein Raum hat nicht mehr eine Funktion, sondern viele – je nach Tageszeit, Stimmung oder Bedarf.

Das Interior wird zum Choreografen dieses Wandels. Entwürfe wie das „Boxetti“-System aus Litauen oder experimentelle Studien an Designhochschulen wie ECAL oder HfG Karlsruhe zeigen, wohin die Reise geht: hin zu Möbelarchitekturen, die sich entfalten, klappen, transformieren – als Ausdruck einer neuen Wohnintelligenz. Und der Anspruch an diese Möbel ist besonders hoch – denn sie müssen funktional präzise, gestalterisch subtil und haptisch überzeugend sein.

(c) Boxetti, Pinterest, stockcake