Ihre Serie „How to Build a Sex Room“ ist derzeit auf Netflix zu sehen. Mit Design DE LUXE spricht Designerin Melanie Rose über ihre Arbeit und warum wir alle mehr Intimität brauchen.
Seit rund 10 Jahren gestaltet Interior Designerin Melanie Rose Räume für Erotik und Sinnlichkeit. Viele dieser Räume gestaltet sie für Prominente – Schweigevereinbarung inklusive. Nun, da sie ihre eigene Netflix-Serie hat, darf sie endlich über ihre erotischen Räume sprechen.
Wenn wir von einem „Sex Room“ sprechen, haben die meisten von uns gleich eine bestimmte Vorstellung – aber was beinhaltet dieser Begriff alles für Sie?
Für mich ist der Sex Room – manchmal nenne ich diese Räume auch „Sacred Rooms“ oder Fantasieräume – ein großer Überbegriff. Das muss ja kein Bondage-Zimmer mit Ketten und Peitschen sein, es kann ein liebevolles Schlafzimmer-Setting sein, das Klienten hilft, zueinanderzufinden. Denken sie an Shenika und Matt – Shenika hatte zuvor noch nie einen wirklichen Orgasmus, was ich unglaublich traurig finde. Hier ging es darum, die beiden zueinanderzuführen, ihre Ehe zu vertiefen – sie zu dem Punkt zurückzubringen, an dem sie sich verliebt haben. Sexspielzeug zu integrieren hat den beiden dabei sehr geholfen, und ich weiß, dass Shenika mittlerweile Orgasmen hat.
Ähnlich war es mit Raj und Ryan – die beiden wollten einen Raum, der ihre Kommunikationsfähigkeit „in den Federn“ fördert. Ich habe für sie also eine Honeymoon-Suite geschaffen – denn die einzigen Gelegenheiten, bei denen sie liebevoll und innig miteinander geschlafen haben, waren im Urlaub.
Das Homeoffice ist derzeit großes Thema, Immobilienentwickler sprechen davon, Grundrisse zu verändern und mehr Räume für die Arbeit zu Hause einzuplanen. Niemand hat das je für Intimität überlegt. Ist Intimität in unserer Gesellschaft unterbewertet?
Absolut. Wir sind heute so auf Arbeit programmiert, auf Geldverdienen, auf Kindererziehung. Das Leben ist so sehr zur Routine geworden: Wir stehen auf, frühstücken, gehen zur Arbeit … Für alles gibt es festgelegte Zeiten – nur nicht für Intimität. Ich glaube, das fehlt vielen Paaren. Wenn man in der Küche aneinander vorbei geht, ist es wunderschön, sich einander zuzuwenden und zu sagen: „Ich liebe dich.“ Die Schulter streicheln, eine kleine Berührung. Diese kleinen intimen Gesten sind so wichtig und führen zu so viel Größerem. Ich selbst bin ein sehr körperlicher Mensch – nicht notwendigerweise sexuell –, und ich habe das Gefühl, wir verlieren die Verbindung zueinander in dieser Gesellschaft. Einen eigenen Raum für Intimität und Sinnlichkeit in der Beziehung zu haben erinnert uns daran, wie wichtig das ist. Wer also einen freien Raum zu Hause hat, sollte sich überlegen, diesen ein wenig luxuriöser und sinnlicher auszustatten, zu einem intimeren Rahmen zu machen. Wer das nicht hat, kann sein Schlafzimmer bewusst als intimen Raum ansehen und wahrnehmen – und es dahingehend anders gestalten.
Sprechen wir zu wenig über Sinnlichkeit und Sexualität?
Ich denke ja. Es gibt sicher Unterschiede zwischen den USA und Europa, europäische Länder gehen natürlicher mit Sexualität um. Ich bin im mediterranen Raum aufgewachsen, wo sich kein Mensch etwas dabei denkt, wenn man oben ohne in der Sonne liegt. Hier in den USA wird man verhaftet. Das ist natürlich eine breite Verallgemeinerung. Aber was ich mit meiner Show erreichen will, ist, das Gespräch zu eröffnen. Ich möchte, dass sich Paare gemeinsam eine Folge ansehen und danach sagen: Sollen wir das versuchen? Würdest du das gerne ausprobieren?
In den Wohntrends der letzten Jahre sieht man viel Sinnliches – Cocooning und Hygge machen die Wohnung zum Rückzugsort, in der Conscious Kitchen erlebt man Nahrung und Essen viel bewusster, das Bad wird zum Home-Spa. Menschen sehnen sich offenbar nach Intensität. Hat auch das eine sexuelle Komponente?
Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt: In den letzten Jahren ist die Welt praktisch zum Stillstand gekommen. Die Verkäufe von Sexspielzeug allerdings sind um 400 Prozent gestiegen. Das ist kein Zufall. Wenn man von anderen Menschen oder dem üblichen Gesellschaftsleben plötzlich abgeschnitten ist, nimmt man vieles stärker wahr: die eigene Umgebung, das Glas Wein, das man trinkt – und eben auch Sinnlichkeit. Man beginnt umzudekorieren, weil man die Energie eines Raumes verändern möchte. Das ist ein unglaublich wichtiger Faktor – manche Räume tragen einfach eine negative Energie in sich. Denken Sie an Matthew und Shenika mit diesem fürchterlichen Himmelbett, das sie ganz wundervoll fand. Aber es war einfach viel zu viel für diesen Raum – als ich das Zimmer betreten habe, war er voller negativer Energie, da war nichts Sinnliches. Wir haben es dann stundenlang abgebaut und weggeschafft, und plötzlich war die Energie des Raumes ganz anders. Ich hatte diese wunderschöne leere Leinwand, mit der ich arbeiten konnte.
Oft sind es aber auch Kleinigkeiten, die einen Raum völlig verändern. Ich sage immer: Macht euer Bett. Ein schön gemachtes Bett, vielleicht mit ein paar Kissen, sieht so viel einladender aus. Nehmen wir Meaghan und Dave als Beispiel: Die beiden wollten weder Sexspielzeug noch Bondage-Gear. Aber Meaghan ist jemand, die liebt, wie sich Materialien anfühlen. Ich habe also einige kuschelige, weiche Überwürfe und Teppiche verwendet.
Interior-Planer betonen oft, wie wichtig es ist, den Klienten kennenzulernen – die Gewohnheiten, Vorlieben und Ähnliches. In Ihrem Fall betrifft das den intimsten Bereich eines Lebens, einer Beziehung. Ist der Sex Room so etwas wie die Königsklasse des Interior Designs?
Ich gestalte immer noch „reguläre“ Räume wie Badezimmer oder Küchen – aber wenn man es mit einem Sex Room zu tun hat, ist das natürlich ein ganz anderes Level an Intimität. Was mir hilft, ist der englische Akzent, denke ich. Außerdem fluche ich recht viel, ich glaube, auch das macht mich zugänglicher für Menschen. Meine Fragen sind sehr intim, aber ich muss die Dinge beim Namen nennen, sonst bekomme ich nicht die Antworten, die ich brauche. Die Menschen müssen wissen, dass es in Ordnung ist, mit mir über ihr Sexleben und ihre sexuellen Vorlieben zu sprechen.
Wie viel von sich selbst muss man eröffnen, um Vertrauen aufzubauen? Im Sinne von „Zeigst du mir deins, zeig ich dir meins“?
Ich würde niemals einem Klienten meine eigenen Vorlieben oder Abneigungen „umhängen“. Mein Job ist es, herauszufinden, was die Klienten mögen, was sie erforschen oder entdecken wollen.
Sollte jeder Interior Designer einmal einen Sex Room gestaltet haben?
(lacht) Da muss ich natürlich Nein sagen, denn das würde mich um meinen Job bringen. Ich denke, wie ein Interior Designer mit seinen Klienten kommuniziert, ist etwas Einzigartiges, etwas Individuelles – jeder von uns muss lernen, was für ihn passt. Meine Kommunikation über Sexräume ist etwas, das genau für mich passt und einzigartig ist. Nur ich komme damit durch, ohne dass der Klient verlegen wird. Was Sie in der Show sehen, das bin ich.
Erzählen Sie uns mehr über Ihren Design-Prozess, was sieht man in der Show nicht?
In der Serie sieht man natürlich nur Ausschnitte. Nehmen wir zum Beispiel Matthew und Orlando. Ich hatte von Anfang an eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ich diesen Raum gestalten wollte. Ich wusste bereits, dass sie Schwarz mochten, denn sie hatten auch ein schwarzes Badezimmer. Außerdem wusste ich, dass sie die Kunst von Tom of Finland mochten, weil sie ein Schwarz-Weiß Foto von ihm in der Wohnung hatten.
Ich wollte, wenn man den Raum betritt, auf der linken Seite ein sehr luxuriöses Gefühl erzeugen, deshalb habe ich mich für die Faux-Krokodilleder-Tapete von Graham & Brown entschieden, dort, wo auch die Fotos der beiden hängen würden. Sie fühlt sich wunderbar an und gibt dieser Seite eine sehr sinnliche Atmosphäre. Auf der rechten Seite sollte es etwas rauer zugehen – dort, wo sich auch das Sex- und Bondagespielzeug befindet. Um einen Kontrast zu schaffen, habe ich hier eine schwarze Sisal-Tapete verwendet, sehr rau, sehr haptisch. So entstand die glamouröse Seite und eben die „Down & Dirty“-Seite, wenn Sie so wollen.
Es gab nur ein Problem: Dieses Gebäude ist von I. M. Pei entworfen (der auch die Louvre-Pyramide gebaut hat) und komplett aus Beton. Ich konnte also keine eigenen Steckdosen oder Auslässe für Wandleuchten anbringen. Nach einigen Diskussionen mit dem ausführenden Unternehmen haben wir einen anderen Weg gefunden: Die Wandleuchten wurden in die Wand geschraubt, und daran habe ich schwarze Ketten anbringen lassen – durch diese habe ich dann die Kabel gewunden.
Sie erschaffen solche Räume seit rund zehn Jahren. Wurden Sie jemals gebeten, einen Sex Room neu zu dekorieren? Partner wechseln schließlich, Beziehungen verändern sich …
Nein, bisher nicht. Aber in einer neuen Beziehung sollte man jedenfalls etwas Neues gestalten. Erinnern Sie sich an Betty und Brody – Betty hatte all dieses Spielzeug aus vorherigen Beziehungen. Das ist keine gute Idee – man sollte mit dem Partner eigene, neue Erinnerungen mit neuem Spielzeug schaffen.
Über meine früheren Klienten kann ich nicht sprechen, da es da Stillschweigevereinbarungen gibt. Viele dieser Menschen stehen in der Öffentlichkeit. Dafür ist auch die Show da – damit wir darüber sprechen, eine neue Perspektive eröffnen können.