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Wie drei Prager Ikonen ihr Erbe neu schreiben
Vom sozialistischen Brutalismus über Art Nouveau bis Art Déco: Drei neue Luxushotels in Prag zeigen, wie internationale Marken Geschichte nicht konservieren, sondern kuratieren – gemeinsam mit lokalen Künstlern, Designern und Gastgebern.
Zeitreise mit Aussicht
Die Morgensonne fällt gefiltert durch das Glasdach, tanzt auf Marmor, Messing und Kristallglas. Der Concierge nickt freundlich, im Spa liegen Zitrus- und Kräuternoten in der Luft – made in Prague, etwa von Smyssly. Oben spielt ein DJ, drinnen klingen Espressotassen. Wer heute in Prag absteigt, kann die Stadt erleben, ohne sie zu verlassen: Die neuen Grandhotels sind Mikrokosmen, in denen Vergangenheit und Gegenwart ineinandergreifen, in denen lokale Designer, Köche und Gastgeber tschechische Identität in internationale Markenwelten verweben. Es ist eine Renaissance, die über Architektur hinausgeht – eine Neuverhandlung dessen, was Luxus bedeutet: Authentizität, Nähe, Atmosphäre. Und die leise Kunst, Menschen nicht zu beeindrucken, sondern willkommen zu heißen.
Prag: Bühne der Transformation
Kaum eine Stadt in Europa inszeniert den Dialog aus Alt und Neu dieser Tage so selbstverständlich. Statt Abriss oder steriler Retro-Kulisse zeigt Prag, dass Geschichte eine Ressource ist. Drei jüngste Eröffnungen stehen exemplarisch: das Fairmont Golden Prague als brutalistisches Wahrzeichen der 1970er, neu gelesen als lebendige Galerie; das W Prague als Art-Nouveau-Revival mit Pop-Energie; und dasAlmanac X Alcron Prague, das Art Déco mit zeitgenössischer Kunst und pflanzenbasierter Kulinarik verbindet. Drei Epochen, drei Philosophien – ein gemeinsames Ziel: Vergangenheit sinnlich erfahrbar machen.

© Almanac X Alcron Prague
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Fairmont Golden Prague – Brutalismus mit Seele
Beton, Glas und Gold. An der Moldau erhebt sich das Fairmont wie ein Monument aus einer anderen Zeit: einst Symbol sozialistischer Moderne, später ungeliebter Betonriese – heute ein sorgfältig rehabilitiertes Ikonenprojekt. Chefarchitekt Marek Tichý (TaK Architects) ließ die Struktur bewusst sprechen. Rauer Beton trifft auf warmes Holz, Textilien und die tschechische Glas-Tradition. Die umfassende Revitalisierung öffnete das Haus in die Stadt: Wo früher Staatsgäste konferierten, hängt heute Gegenwartskunst– im Dialog mit der neuen KodlContemporary im gläsernen Pavillon am Ufer. Die Handschrift von Richmond International transformiert Geometrie in Atmosphäre. Jedes Detail, vom vergoldeten Handlauf bis zur Leuchte, erzählt von Handwerk. Im Fine Dining Rooftop Restaurant Zlatá Praha (Goldenes Prag) schwingt der Geist der 1970er ebenso mit wie die Handschrift internationaler Küche – ein Haus, das Brutalismus aus der Isolation holt und ihn in den Kanon zeitgenössischer Luxuskultur schreibt.

© Almanac X Alcron Prague
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W Prague – Art Nouveau Reloaded
Vom Grand Hotel Evropa zum Erlebnisuniversum. Zwischen floralen Reliefs und goldenen Fassadendetails
erwacht ein Jahrhundertbau zu neuem Leben. Der historische Flügel wurde denkmalgerecht restauriert, ergänzt um einen elliptischen Neubau; innen verschmilzt Art Nouveau mit Avantgarde – florale Installationen, Kristallarbeiten, Originalfarbtöne, inszeniert von AvroKO. Das AWAY Spa positioniert sich als urbaner Rückzugsort. Offizielle Spa-Rituale laufen primär mit Comfort Zone, Smyssly ist im Haus präsent und bringt die Stadt in Duft und Textur spürbar nah. Abends wird die Rooftop-Bar Above zum Magneten, wo Locals und Reisende zusammenkommen: Stadtblick, Champagner, DJ-Set – und ein Hotel, das sich eher wie ein urbanes Lebensgefühl anfühlt.

© W Prague
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Almanac X Alcron Prague – Art Déco reimagined
Eleganz mit Haltung. Das 1932 eröffnete Alcron, Prags erstes Luxushotel der Ersten Republik, wurde sensibel erneuert: Originale Marmortreppe, Onyx-Kamine, Holztäfelungen –ergänzt durch ruhige, zeitgenössische Setzungen von Tres Cinco Uno und Marani. Das Haus versteht sich als kultureller Knotenpunkt: regelmäßige Ausstellungen, Künstlergespräche, Kooperationen mit Designblok. In der Alcron
Bar trifft Mixology auf Design – die Zusammenarbeit mit Qubus macht aus Drinks kleine Sammelobjekte. Kulinarisch denkt Richard Bielik Luxus plant-forward und regional. Das Restaurant ist mit 2 Hauben im Gault-&-Millau-Guide ausgezeichnet.

© Almanac X Alcron Prague
© Almanac X Alcron
Fairmont, W und Almanac–Drei Haltungen eines neuen Luxus
Die drei Häuser verkörpern unterschiedliche, doch komplementäre Ansätze: Das Fairmont transformiert den Brutalismus der 1970er in eine Bühne für Kunst und Materialehrlichkeit–Architektur als Resonanzraum, rau und poetisch. Das W feiert das Art-Nouveau-Erbe mit maximaler Geste und urbaner Energie. Florale Ornamente, Kristall und lokale Skincare-Akzente fügen sich zu einem multisensorischen Erlebnis. Das Almanac steht für leisen Luxus und bewusstes Maßhalten. Im Geist des Art Déco verbindet es historische Eleganz mit kuratierter Gegenwart aus Kunst, Glasdesign und pflanzenbasierter Küche. Gemeinsam zeigen die drei: Luxus hat weniger mit Glanz als mit Glaubwürdigkeit zu tun – Haltung, Handwerk, Sinn für Ort und Atmosphäre. In Prag wird Geschichte nicht verwaltet, sondern weitergeschrieben.

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Heritage 2.0 – Zwischen Geschichte und Zukunft
In einer austauschbaren Welt gewinnt das Authentische an Wert. Gefragt sind Orte mit Haltung – sichtbar in Architektur, Materialität und Begegnung. Grand Hotels erleben deshalb ein Comeback, nicht als nostalgische Remakes, sondern als kuratierte Lebensräume, in denen Design, Kunst, Kulinarik und Gastfreundschaft sich durchdringen und Locals wie Reisende zusammenbringen.
Blick zurück – und nach vorn
Historisch waren Grand Hotels immer mehr als Schlafstätten: Treffpunkte, Bühnen, Seismografen ihrer Zeit. Heute knüpfen Fairmont, W und Almanac daran an – mit Nachhaltigkeit, Wellbeing, Individualität und Kunst als Brücke zur Stadt. Künftig werden Hotels noch stärker kulturelle Plattformen: Artist-in-Residence-Programme, temporäre Ausstellungen, kuratierte Rooftops, shoppable Designmomente. Der Trend geht zur co-created hospitality – Häuser, die Communities prägen.
© Fairmont Golden Prague
© Hotel Evropa
Popkultur & Sehnsucht
Serien wie The White Lotus oder Hotel Portofino verstärken die Lust auf Orte, an denen Stil, Service und Zeit in Balance sind. Prags neue Ikonen liefern genau das – ohne Kitsch. Wenn Design, Kunst und Gastfreundschaft einander beflügeln, entsteht jene Leichtigkeit, die echten Luxus ausmacht: to feel at home while being away.
Fazit: Luxus ist Beziehung
Brutalismus, Art Nouveau, Art Déco – Ausdruck einer Epoche des Fortschrittsglaubens, heute neu belebt. Die wahre Konstante ist die Beziehung: zwischen Architektur und Atmosphäre, Gastgebern und Gästen, Kunst und Alltag. Aus dieser Beziehung entsteht – im besten Fall – ein Gefühl, das bleibt.

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Lokale Brands, Künstler und Designer in Prager Luxushotels
W Prague
Preciosa Lighting: maßgefertigte Kristall-Installationen (u. a. 22-Meter-Lichtskulptur; Zusammenarbeit mit Pavla Doležalová/Chapman Taylor)
Adam Ellis Studio: kuratierte Kunst und „Fantastical Garden“ - Motivik
Michal Škapa (Tron): großformatige Wandarbeit im W-Kosmos (Garten/Outdoor-Kontext)
KLIMCHI: erste Boutique der böhmischen Kristallmarke im Hotel
Smyssly: tschechische Skincare-Brand im Haus (Retail/Angebote)

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© Fairmont Golden Prague
Fairmont Golden Prague
TaK Architects (Marek Tichý) & Richmond International: Revitalisierung und Interior
KodlContemporary: neue Galerie im Glaspavillon am Ufer, architektonisch mit dem Hotel verknüpft
LASVIT: monumentale Glasinstallationen (u. a. 17-Tonnen-Lamellenwand im Wellnessbereich) und Glaselemente in den Zimmern
Bomma: aßgeschneiderte Lichtinstallationfür die Bar Coocoo's Nest aus 140 mundgeblasenen Kristallkapseln, entworfen von Kateřina Handlová
Almanac X Alcron Prague
Qubus (Jakub Berdych Karpelis): „Alcron Bar × Qubus“ – Mixology trifft Design, Drinks in eigens gestalteten Gefäßen
Richard Bielik: plant-forward Küche; 2 Hauben im Gault-&-Millau-Guide
Laufende Ausstellungen & Designblok-Formate (2025: DECHEM & Michal Bačák): Hotel als Kultur- und Design-Hub
Pop Up Showroom(aktuell Linda Pro)
Bilder: © Hotel Evropa; W Prague
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