Life & Style

KI im Design: Werkzeug oder Ideengeberin?

Wie wirkt sich KI praktisch auf Design und Teamarbeit aus? Simon Hirtz, Mitgründer von Unlocked Creatives im Gespräch über veränderte Perspektiven und neue Möglichkeiten ­zwischen Moodboard und Markenauftritt. 

Von Linda Pezzei

it seiner Arbeit erforscht Simon Hirtz die Schnittstelle von Architektur, Design und künstlicher Intelligenz. Neben experimentellen Studien wie der Neuinterpretation der Wiener Karlskirche, die als kritische Auseinandersetzung mit Wahrnehmung und Bildmacht gedacht ist, entstehen auch visionäre Konzepte wie das „Cliff Museum“, das Architektur, Landschaft und Materialität zu völlig neuen Formen verschmelzen lässt. All diesen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie die Frage aufwerfen, wie KI nicht nur als technisches Tool, sondern als gestalterische Partnerin eingesetzt werden kann – im Spannungsfeld von Realität und Imagination.

Wie verändert KI die Designwelt? KI verändert unsere Werkzeuge – und die Art, wie wir gestalten. Der Prozess wird zu einem fortlaufenden Gespräch zwischen Mensch und Maschine: Ideen entstehen, werden schnell sichtbar, überprüft, verworfen, neu zusammengesetzt. Der Fokus verschiebt sich vom reinen Ersetzen hin zum bewussten Kuratieren der Technologie. Wer Handschrift, passende Daten und trainierte Modelle klug kombiniert, kann heute Ergebnisse erzielen, die früher undenkbar waren. 

Architektur an der Schnittstelle von Realität und Imagination: Das „Cliff Museum“ zeigt, wie KI-Modelle Landschaft, Form und Materialität zu neuen visionären Baukörpern verschmelzen.

Wo nutzt Unlocked bereits konkret KI? Wir arbeiten täglich mit Machine Learning und entwickeln daraus neue Workflows. Unsere Erfahrung mit klassischen Prozessen hilft, ­gezielt dort anzusetzen, wo präzise Datenarbeit echten Mehrwert bringt. Wir trainieren eigene Modelle, abgestimmt auf die Anforderungen der Kunden, um Projekte effizienter, präziser oder detaillierter umzusetzen. Ein klassisches Beispiel ist, wenn Kunden nur eine Handskizze liefern. Mithilfe eines Prompts und eines eigens trainierten kleineren Modells – z. B. ein atmosphärischer „Checkpoint“ – lässt sich daraus in kürzester Zeit ein realistisches Bild generieren. Dabei können zusätzlich Referenzen als Stilmittel einfließen oder gezielt nur einzelne Elemente transformiert werden. Solche Workflows bestehen als Web-App meist aus mehreren Bausteinen, die kombinierbar sind und spezifische Probleme lösen. Dadurch entsteht ein maßgeschneidertes Werkzeug, das Ergebnisse liefert, für die man ansonsten Wochen oder Monate benötigen würde.

Ist KI damit eher Werkzeug, Challenger oder Ideengeberin? Alles zugleich. Als Werkzeug steigert sie Präzision, Geschwindigkeit und Flexibilität. Als Challenger zwingt sie uns, Gewohntes zu hinterfragen. Als Ideengeberin eröffnet sie Perspektiven, die sonst oft verborgen bleiben. Entscheidend bleibt der Mensch, der steuert. Wir arbeiten bewusst gegen Generalisierung: mit gezieltem Datentraining, präzisem Prompten und einem kritischen, kuratorischen Blick, damit Ergebnisse kreativ, passend und einzigartig sind.

Historische Architektur neu gedacht: KI-basierte Reinterpretationen der Wiener Karlskirche.

Ein Beispiel dafür sind Hirtz’ KI-Studien zur Wiener Karlskirche. Sie entstanden ohne konkreten Auftrag, sondern aus der Faszination für das Bauwerk selbst, das ein Hybrid aus römischen, byzantinischen und wienerischen Elementen ist. Die Reinterpretationen zeigen, was passiert, wenn bestehende Architektur digital verwandelt, verbunden oder fortgeschrieben wird – so realistisch, dass Betrachter sie fast für möglich halten. Die Serie versteht sich als kritische Untersuchung der Wahrnehmung von Bildern: wenn das fotografische Abbild kein Beweis mehr ist, sondern neue Welten im Kopf erzeugt.

Wie verändert sich der Anspruch an gestalterische Qualität, wenn alles „schön“ generierbar wird? Unser Anspruch steigt. „Schön“ ist oft nur Oberfläche – uns geht es um konzeptionelle Tiefe, Kontext und Relevanz. Technisch perfekte Bilder entstehen heute in Minuten, Qualität hingegen durch bewusste Entscheidungen und kontextspezifische Modelle. Große Foundation Models enthalten selten gezielt eingearbeitete kulturelle Daten – hier schließen wir Lücken, indem wir öffentliche Archive und interne Studiobestände aufarbeiten. So entstehen Modelle mit Ergebnissen, die gestalterisch stark und kulturell verankert sind. Einzigartigkeit bedeutet für uns auch Verantwortung im Prozess.

Simon Hirtz, Mitgründer von Unlocked Creatives und Gründer von A.I.gency.

Was fehlt Ihnen im aktuellen Diskurs rund um KI und Kreativität? Mut und Tiefe. Zwischen Technikbegeisterung und pauschaler Ablehnung fehlt oft der differenzierte Raum. Wir sollten offener über Datengrundlagen sprechen – welche Inhalte einfließen, welche fehlen und wie sich das auf die Ergebnisse auswirkt. Vielfalt und Kontext entstehen nicht von allein. Ich wünsche mir mehr Zusammenarbeit zwischen Kreativen, Entwicklern, Auftraggebern und Öffentlichkeit, um Werkzeuge zu schaffen, die Vielfalt statt Vereinheitlichung fördern – transparent, nachvollziehbar und verantwortungsvoll. Rahmen sind wichtig, dürfen aber Experimente und Neues nicht verhindern.

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