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Design Glossar: Die Moderne
Wer heute auf klare Linien, offene Grundrisse und ehrliche Materialien setzt, lebt in Wirklichkeit mit einem Jahrhundertgedanken, der um 1900 begann. Warum Räume, Formen und Möbel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktueller sind denn je.
Als die Moderne entstand, stand die Welt Kopf: Industrialisierung, technologische Sprünge, wachsende Städte und eine neue gesellschaftliche Dynamik. Architektinnen und Designerinnen reagierten darauf mit einem radikalen Bruch. Weg mit dem Ornament, weg mit historisierenden Fassaden, weg mit Plüsch, Samt und Überladung.
Stattdessen:
Funktion, Klarheit, Licht.
„Form follows function“ wurde zum Motto einer Generation, die die Welt neu denken wollte.
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Architektur wird transparent – und politisch
Die Moderne stellte den Menschen ins Zentrum. Gebäude sollten für alle funktionieren: gesundes Licht, gute Luft, einfache Grundrisse, bezahlbare Materialien. Glas, Stahl und Beton ermöglichten eine neue Offenheit. Fassaden wurden durchsichtig, Räume flossen ineinander, Möbel schwebten plötzlich auf filigranen Beinen.
"Das war nicht nur Ästhetik. Das war Gesellschaftspolitik", könnte man sagen. Beispielsweise wollten die Vertreter*innen des Neuen Bauens in Deutschland Wohnraum demokratisieren. In Wien entstanden Siedlungen, die erstmals für breite Schichten gedacht waren. Die Moderne fragte: Wie wollen wir als Gesellschaft leben.
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Design wird reduziert – und ikonisch
Parallel zur Architektur veränderte sich das Produktdesign. Der Stahlrohrstuhl von Marcel Breuer, die Lampen von Wilhelm Wagenfeld, die Möbelprogramme von Mies van der Rohe oder Charlotte Perriand – allesamt Produkte, die das damals Unmögliche möglich machten: Serienproduktion in bisher ungeahnter Qualität. Neue Materialien wie Stahlrohr, Schichtholz oder später Kunststoff kamen auf.
Wer heute Minimalismus bevorzugt, klare Achsen liebt oder Möbel mag, die „schweben“, folgt bewusst oder unbewusst den Ideen der Moderne. Auch Trends wie Japandi, Scandi oder Quiet Luxury sind letztlich Weiterentwicklungen dieser Epoche.
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Warum jetzt?
Unsere Zeit erinnert in vielen Aspekten an die Jahrhundertwende 1900:
Digitalisierung statt Industrialisierung, urbaner Druck, neue Arbeitswelten, Klima- und Materialfragen. Wieder müssen Räume funktionieren. Und wieder suchen Menschen nach Klarheit.
(c) Sabina Huel



