
Arbeiten ohne Kompromisse: Warum Homeoffice meist kein Möbelproblem ist
Arbeiten zu Hause ist heute ein ernstzunehmender Teil unserer Lebenswelt. Und doch bleibt die Gestaltung oft halbherzig. Design DELUXE über die neue Typologie von Workniche bis PodOffice.
Es ist oft vom „zweiten Wohnzimmer“ die Rede. Was das Homeoffice betrifft, war es lange nur der dritte Kompromiss: Zu wenig Raum, zu wenig Ruhe, zu wenig Konzept. Dabei ist der Wunsch, produktiv und konzentriert im eigenen Zuhause zu arbeiten, längst kein Pandemie-Phänomen mehr, sondern eine dauerhafte Anforderung an den Grundriss, an die Gestaltung, ja sogar an das gesamte räumliche Denken.
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Die häufigste gestalterische Reaktion auf Homeoffice-Bedarf: ein Designerschreibtisch, ein ergonomischer Stuhl, vielleicht ein Paravent als Raumtrenner. Fertig ist das Arbeitszimmer. Nur: Das greift zu kurz. Arbeiten zuhause verändert die Anforderungen an Raumtypologien – und zwar fundamental. Es geht nicht mehr nur darum, irgendwo Platz zu schaffen, sondern darum, Räume zu definieren, die Konzentration ermöglichen, akustisch reguliert sind, visuell entkoppelt vom Wohnalltag. Dazu soll es auch gestalterisch uns nicht wie ein Fremdkörper wirken.
© Natalia M
Gute Architektur denkt das Homeoffice nicht als Add-on, sondern als programmatischen Bestandteil. Das bedeutet: separate Lichtführung, klare Sichtachsen (oder bewusst keine), kontrollierte Akustikzonen, differenzierte Raumhöhen, in manchen Fällen sogar eigene Zugänge oder versetzte Ebenen. Es bedeutet auch: weniger offene Grundrisse, mehr kuratierte Übergänge.
© 𝕹𝖔 𝖘𝖔𝖚𝖑
Die Rückkehr der Schwelle
Der fließende Raum galt jahrelang als gestalterisches Ideal – offene Küchen, offene Wohnbereiche, offene Galerien. Das Homeoffice bringt eine Gegenbewegung mit sich: Die Wiederentdeckung der Schwelle als funktionales und atmosphärisches Element. Schwellen schaffen Distanz, markieren Zustandswechsel. Wer einen Arbeitstag zuhause architektonisch gestalten will, braucht nicht nur Stille, sondern eine Schwelle – sei sie akustisch, visuell oder räumlich. Das kann eine raumhohe Schiebetür aus transluzentem Glas sein, eine Podestierung, eine Veränderung im Bodenbelag oder ein gezielter Lichtbruch.
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Licht als Werkzeug
Natürliches Licht ist im Homeoffice nicht nur ein Komfortmerkmal, sondern ein Steuerungsinstrument. Tageslicht beeinflusst kognitive Leistung, Konzentration, Schlafrhythmus. Wer Homeoffices plant, sollte Licht nicht nur „hereinlassen“, sondern gezielt inszenieren: durch tiefe Fensterlaibungen, reflektierende Oberflächen, seitlich einfallendes Licht ohne Bildschirmblendung. In Nordwohnungen helfen Lichtlenksysteme, in Südlagen modulieren Lamellen oder drehbare Paneele die Intensität.
Künstliche Beleuchtung orientiert sich an Human Centric Lighting: veränderbare Farbtemperaturen, programmierte Lichtverläufe, adaptive Steuerung. Das Ziel: nicht nur Helligkeit, sondern tageszeitgerechte visuelle Ökologie.
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Schallschutz muss nicht schwer und technisch wirken, er kann nämlich auch Stil beweisen. Wollfilz ist dafür ein ideales Material: Natürlich, langlebig und mit einer angenehmen Haptik sorgt er in Wohn- wie Arbeitsumgebungen für Ruhe und Klarheit.
Ein Beispiel dafür ist das Akustikwandbild Silent – ein dekoratives Wandelement, das Geräusche dämpft und gleichzeitig architektonische Akzente setzt. Die Entwürfe stammen von namhaften Gestaltern: Design Circle von Reimund Braun, Design Angle / Arc / Line von Sonja Ophüls-Zilz.
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Die neue Typologie: Workniche, PodOffice, Akustikkoje
Interior Designer und Architekten entwickeln derzeit neue Typologien, die irgendwo zwischen Möbel, Raum und Gerät angesiedelt sind. Workniches, also eingelassene Arbeitsecken mit akustischer Rückwand, oder PodOffices. Das sind raum-in-raum-Systeme, oft mobil, manchmal als Kubus im Loft. Auch Akustikkojen, textile Zonen mit Decke, Wand und Boden als absorbierende Flächen, sind ideal für Calls, Deep Work, oder einfach Ruhe.