Warum ein Film über den Bauhaus Stil bei den Oscars abräumte?

„The Brutalist“, ein Movie über Sichtbeton, Staatsaufträge und das posttraumatische Innenleben eines Bauhaus-Schülers wurde mit gleich drei Preisen ausgezeichnet. Was hat ein filmisch inszenierter Architekturstil plötzlich im Zentrum der Popkultur verloren?

„The Brutalist“ wurde gleich mit zehn Oscar-Nominierungen bedacht – und konnte drei der begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen: Ausgezeichnet wurde das Filmdrama für die beste Filmmusik und die beste Kamera, während Adrien Brody den Oscar als bester Hauptdarsteller gewann.

Brady Corbets Film erzählt die fiktive Biografie des ungarischen Architekten László Tóth – ein jüdischer Bauhaus-Absolvent, KZ-Überlebender und Migrant, der im Amerika der Nachkriegszeit ein monumentales Kulturzentrum realisiert. Der Baukörper aus Beton und Marmor wächst über Jahrzehnte – als Sinnbild für ein Leben zwischen Trauma, Assimilation und künstlerischem Ehrgeiz.

Was Corbet gelingt, ist selten: Architektur ist hier kein bloßes Setting, sondern struktureller Ausdruck. Der Brutalismus dient nicht als nostalgische Retrofolie, sondern als radikaler Spiegel einer beschädigten Moderne. Tóths Gebäude ist weniger Vision als Verdichtung – von Schmerz, Utopie, Kontrolle.

Konkrete Architektur

Formal orientiert sich der Film an realen brutalistischen Ikonen – etwa Paul Rudolphs Government Center in Boston oder den Entwürfen von Marcel Breuer. Die Kamera tastet sich durch raumhohe Sichtbetonwände, lange Flure ohne Blickachsen, schwerlastige Treppenhäuser. Der monumentale Charakter des Baus wird aber nicht heroisiert, sondern als psychologische Last inszeniert. Licht fällt oft nur von oben ein – durch Lichtschächte, nie durch Fenster –, was den Bau fast sakral, aber zugleich einschließend wirken lässt. Besonders eindrücklich: die Kirche im Zentrum des Komplexes, in deren asymmetrischem Betonraster sich sowohl Ordnung als auch Irritation ablesen lassen.

Bauhaus-Erbe im Exil

Dass Tóth Bauhaus-Absolvent ist, ist kein Zufall. Der Film verweist subtil auf die Migration vieler jüdischer und progressiver Architekten in die USA nach 1933 – und auf die Spannungen, die entstanden, als europäische Moderne auf amerikanischen Pragmatismus traf.

In Tóths Entwürfen erkennt man Anklänge an die rationale Formensprache eines Gropius oder Mies van der Rohe – klare Linien, funktionale Gliederung – doch die Schwere des Brutalismus überlagert diese Ideale mit biografischer Last. Es ist ein Bauhaus, das durch die Geschichte gebrochen wurde.

Gerade darin liegt der Reiz für ein zeitgenössisches Publikum. Der Brutalismus erlebt seit Jahren eine kulturelle Neubewertung – geliebt für seine formale Strenge, gehasst für seine soziale Kälte. „The Brutalist“ nutzt diesen ambivalenten Stil, um größere Fragen zu stellen: Wie formt Architektur Identität? Wie viel politisches Gewicht trägt ein Gebäude? Und was bedeutet es, wenn ein Werk zugleich Schutzraum und Gefängnis wird?

(c) Screenshot YouTube/Trailer The Brutalist