Design & Interieur

Brutal Beauty: Sieben beeindruckende Brutalismus‑Bauten

Roh, monumental, faszinierend. Diese sieben Architekturperlen zeigen, wie der Stil mit unpoliertem Beton und klarer Formensprache lebendig wird.

Von Julia Weninger

Was in der Nachkriegszeit als architektonischer Gegenentwurf zur Ornamentüberladung gedacht war, hat sich über Jahrzehnte hinweg zum stilistischen Extrem entwickelt – geliebt, gehasst, wiederentdeckt.

Der Brutalismus (vom französischen béton brut = Sichtbeton) entstand in den 1950er-Jahren und ist eng mit dem Namen Le Corbusier verbunden. Was ihn auszeichnet: unbehandelte Materialien, klare Formen, strenge Funktionalität.

Heute wird der Stil wieder gefeiert, aber nicht als nostalgisches Stilzitat, sondern als mutiger Kontrapunkt zum digitalen Glattbügeln der Gegenwart. Diese sieben Projekte zeigen, wie unterschiedlich und inspirierend Brutalismus heute interpretiert werden kann.

© brutalistdc

7 Best Practices

In New Haven, Connecticut, hat der einst von Marcel Breuer entworfene Büroblock aus den 1970er-Jahren ein zweites Leben erhalten: Das Hotel Marcel verbindet brutalistische Außenhülle mit nachhaltigem Innenausbau – ein vollständig CO₂-neutrales Boutiquehotel mit LEED-Platin-Zertifizierung. Der Beton ist geblieben, aber was einst hart wirkte, wird nun durch texturierte Stoffe, matte Oberflächen und gedämpftes Licht in eine neue, fast stille Ästhetik überführt.

Ganz anders, aber ebenso kraftvoll: das Ca Ses Sucreres auf Menorca. Hier hat das Studio Calderon-Folch aus einem alten Dorfladen ein reduziertes Öko-Hotel geschaffen, das Brutalismus nicht als Dogma versteht. Sichtbare Steinwände, rohe Oberflächen, massive Raumgeometrien – und dazwischen immer wieder Licht, Luft, Landschaft. Hier wirkt das Monumentale nicht einschüchternd, sondern meditativ.

© Ca Ses Sucreres

Auch der soziale Wohnbau erlebt durch den Brutalismus eine neue Würdigung. Der Balfron Tower in London, einst von Ernő Goldfinger entworfen, wurde in den letzten Jahren mit großem Respekt vor der ursprünglichen Formensprache saniert. Was bleibt, ist die monumentale Vertikale, die Skybridges, der rhythmische Beton – doch die Bewohner erleben heute ein Stück Geschichte, das nicht ins Museum, sondern in den Alltag gehört. Weniger bekannt, aber ebenso ikonisch ist das benachbarte Glenkerry House, das Goldfinger ebenfalls gestaltete: Ein Wohnblock als vertikale Stadt, als kooperativ verwaltetes Sozialprojekt in brutalistischer Form.

© Balfron Tower

In Mexiko-Stadt zeigt ein Neubau von Studio Rick Joy, wie man mit Sichtbeton fast eine neue Sinnlichkeit erzeugen kann. Der Beton ist hier nicht glatt, sondern geprägt – mit Holzschalungen, die dem Material eine lebendige Struktur verleihen. Das Ergebnis ist eine Oberfläche, die Licht aufnimmt, Schatten wirft, Tiefe schafft. Es ist Brutalismus als Wohngefühl – warm, zurückhaltend, archaisch und zugleich hochmodern.

Noch einen Schritt weiter geht das Marsala House im australischen Perth, ein Exzentrikum par excellence. Iwan Iwanoff entwarf in den 1970er-Jahren einen kubistischen Wohnbau aus versetzten Betonblöcken – mit dramatischer Lichtführung und geometrischer Fassade. Im Inneren trifft man auf einen Disco-Raum mit beleuchtetem Schachbrett-Boden, Murano-Leuchter und eine beinahe ironische Opulenz. Hier wird der Brutalismus zum Design-Spektakel.

© Iwan Iwanoff

Auch in Sydney hat ein brutalistisches Wohnprojekt wieder Aufmerksamkeit erhalten: das Sirius Building im historischen Rocks-Viertel. Längst denkmalgeschützt, steht es heute sinnbildlich für die Verbindung von radikaler Form und sozialer Verantwortung. Beton als politische Architektur, als Zeichen gegen Verdrängung und für den Erhalt urbaner Vielfalt.

Der neue Brutalismus im Interior – ein Style Guide

Brutalismus ins Wohndesign zu übersetzen bedeutet nicht, sich mit grauem Beton einzudecken. Es bedeutet, sich für Material, Struktur, Authentizität zu entscheiden. Räume, die vom Geist des Brutalismus inspiriert sind, verzichten auf Effekthascherei. Stattdessen setzen sie auf radikale Reduktion, auf Textur, auf Licht als Gestaltungselement.

Das beginnt beim Material. Sichtbeton spielt dabei eine zentrale Rolle – roh, strukturiert, mit Spuren der Schalung oder Alterung. Kombiniert wird er mit Naturmaterialien, die Kontraste setzen: unbehandeltes Eichenholz, geölter Stahl, Leder mit Patina. Auch Cortenstahl passt perfekt in diese Ästhetik: hart und warm zugleich.

Farblich dominiert die Graupalette, doch nicht in Uniformität, sondern in Nuancen von hellem Zementgrau bis zu fast schwarzem Anthrazit. Akzentfarben dürfen auftreten, aber bitte mit Tiefe: Rostrot, dunkles Olivgrün, tiefer Ocker. Es geht um Masse, nicht um Buntheit.

© sydneyisopen

Im Mobiliar kommen Klassiker der Moderne zum Einsatz: Stücke von Pierre Chapo, Le Corbusier, brutalistische Stahlmöbel, rohe Esstische mit klarer Geometrie. Auch handgefertigte Keramik, strukturierte Stoffe und raue Leinenstoffe finden ihren Platz. Weniger als Dekoration, mehr als Gegenüber.

Licht ist in brutalistisch inspirierten Räumen kein Beiwerk und so gibt es sSatt opulenter Deckenleuchten Einbaustrahler, Wandfluter und skulpturale Stehlampen. Indirektes Licht, das Betonflächen zum Leuchten bringt, Schatten betont, Tiefe schafft. Tageslicht wird durch gezielte Öffnungen dramatisiert.

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