Wohnimmobilien gelten seit jeher als krisensicheres Investment – daran hat auch Corona nichts geändert. Dass Investitionen in den eigenen Wohnraum gleichzeitig ein Investment in die Krisensicherheit der persönlichen Lebensqualität sind, das werden viele erst heuer entdeckt haben. Ob ein solch veränderter Zugang zu Wohnraum nachhaltig ist, muss sich erst zeigen – doch die Momentaufnahme ist eindrucksvoll.
Mit den Grundbedürfnissen ist das so eine Sache. Ja, man braucht Essen, um nicht zu verhungern, ein Dach über dem Kopf, um nicht zu erfrieren. Aber wer so tut, als ob das alles wäre, macht sich und anderen etwas vor. Denn aus Überleben wird erst Leben, wenn das Essen schmeckt und die vier Wände zum Zuhause werden. Letzteres haben wir in den letzten Monaten ausgiebig testen können. Und wie so oft, wenn man etwas über längere Zeit genauer betrachtet, bemerkt man nach und nach die Macken. Dinge, die uns anfangs lieb waren, werden plötzlich zum Problem. Der wunderbare offene Grundriss ist plötzlich die Arena des Circus Maximus, aus der man sich nicht davonstehlen kann und in der die Gladiatoren um die Fernbedienung kämpfen. Die wunderbare Innenstadtlage wird eng – dass von Fitnessstudio bis Lieblingsitaliener alles bequem fußläufig erreichbar ist, nutzt nichts, es ist zu. Natürlich wird sich das alles wieder ändern, wir werden in die Normalität zurückfinden, aber es steht zu vermuten, dass sich die Erfahrungen dieses Jahres einprägen und uns noch einige Zeit begleiten werden. Wie sehr und wie nachhaltig, das kann uns auch die beste Glaskugel nicht sagen. Die fünf Thesen, die wir im folgenden untersuchen wollen, stammen dementsprechend aus einer Momentaufnahme – aber der Moment hat schließlich auch seine Berechtigung.
Wohnen bekommt mehr Priorität
Lieber einen Überseeurlaub weniger, dafür eine Terrasse? Ein günstigeres Auto, dafür ein Arbeitszimmer? Wohnen ist und bleibt ein Leistbarkeitsthema, doch während man in den letzten Jahren den Trend zu kleineren Wohnungen als Entwicklung der modernen urbanen Gesellschaft hingenommen und – insbesondere in der Millennial Generation – Platz mit Reisen, Hobbys und Aktivitäten wettgemacht hat, regt sich nun wohl in vielen der Gedanke, dass Wohnraum doch ein nachhaltigerer Faktor in unserer Psyche ist, als zuvor angenommen. Seit Ostern berichten Immobilienunternehmen wieder von verstärkter Nachfrage Wohnungssuchender. Sogar deutlich verstärkt, erzählt Lukas Sattlegger, Geschäftsführer des Bauträgers Glorit: „Im Moment haben wir Rekordanfragezahlen – die Menschen suchen neuen Wohnraum. Und das obwohl die Finanzierung für viele nicht leichter geworden ist – im Gegenteil. Im Moment haben viele Menschen es deutlich schwerer, Kredite zu bekommen.“ Der Wunsch muss also groß sein. Anfragen kämen vor allem aus Innenstadtlagen, wo zum Teil Familien mit Kindern in Wohnungen ohne Freiflächen leben. Pamela Loidl, Geschäftsführerin von Liv Immobilienvermarktung, streicht vor allem das emotionale Bedürfnis heraus, das in Wohnraum mitschwingt: „Das Zuhause ist Zufluchtsort, etwas Beständiges, ein Ort an dem man sich sicher und geborgen fühlen kann. Die große Bedeutung des „Zuhause“ hat sich somit aus meiner Sicht auch in dieser Zeit nicht verändert. Denken wir nur an den Ansturm auf die Baumärkte, als die Maßnahmen langsam gelockert wurden, die Bekleidungsbranche konnte keineswegs solche Zahlen melden, Verschönern des Zuhause war angesagt! Die Beständigkeit von Immobilien hat sich damit auch in den letzten Monaten gezeigt und sich erneut ins Bewusstsein der Leute gerufen.“
Auch Buwog Geschäftsführer Andreas Holler berichtet von einer stabilen Nachfrage, verweist hier allerdings in erster Linie auf Anleger: „Die starke Nachfrage vor allem von Seiten langfristig orientierter Anleger zeigt einen klaren Vertrauensbeweis in die BUWOG als Unternehmen und in Immobilien als Anlageform.“ Die Buwog geht heuer mit gleich elf Projekten in ganz Wien in die Umsetzung – eine Mischung aus freifinanzierten Miet- und Eigentumswohnungen, sowie Mietwohnungen im Rahmen der Wiener Wohnbauinitiative soll Wohnraum für unterschiedlichste Budgets bereitgestellt werden.
Sattleggers und Hollers Erfahrungen decken sich mit einer repräsentativen Studie, die das Gallup Institut im April für Raiffeisen Immobilien durchführte. Darin zeigen sich vor allem Bewohner von Flächen bis zu 60 Quadratmetern. Hier ist jeder Fünfte unzufriedener als vor der Krise, 33 Prozent klagen über zu wenig Platz, 34 Prozent fällt die Decke auf den Kopf. Rund ein Drittel dieser Gruppe wünscht sich in der Folge eine neue Immobilie.
Freiflächen werden wichtiger
Der kleine Stehbalkon für eine einsame Zigarette hat ausgedient, erzählt Sattlegger – Freiflächen sollen als zusätzlicher Lebensraum dienen. In so gut wie allen Anfragen sei die Frage nach Freiflächen enthalten, die auch Platz für ein gemeinsames Abendessen, vielleicht sogar das Open Air Home Office bieten sollen. Interessant zu beobachten wird sicherlich die Entwicklung von Shared Spaces in Mehrparteienhäusern – denn verordneter Sicherheitsabstand und persönliche Vorsicht vertragen sich kaum mit dem gemütlich gemeinsamen Gärtnern am Dach.
Bei Häusern – die im Moment besonders stark nachgefragt würden – erzählt Sattlegger vor allem von der Frage, ob sich „da auch ein Pool ausgeht“. Man plant also schon für den nächsten Urlaub zuhause. Auch Poolhersteller und Gartenplaner berichten von der „Neuentdeckung des eigenen Gartens“ – mit der entsprechenden Investitionsbereitschaft. Bedingt durch immer heißer werdende Sommer ist der Trend zum eigenen Pool zwar schon seit einigen Jahren im Gange, wer sich aber heuer noch das kühle Nass in den Garten holen möchte, muss mit längeren Wartezeiten rechnen.
Mehr Zimmer, mehr Platz, mehr Lebensqualität
Haus mit Garten und Keller – das ist im Moment das Ziel. Im Keller wird dann bevorzugt ein kleiner Fitnessraum oder ein Heimarbeitsplatz eingerichtet – der wohl nicht selten als Fluchtpunkt vor zu viel familiärer Gemeinsamkeit dienen wird. Insbesondere Platz zum Arbeiten wird in Zukunft ein Kriterium für neuen Wohnraum sein – das belegt auch die Umfrage der Raiffeisen Immobilien: so würden 45 Prozent der Berufstätigen derzeit aufgrund der Krise im Homeoffice arbeiten. 28 Prozent berichten in diesem Zusammenhang von Problemen, dafür zuhause Platz zu schaffen. Trotzdem wünschen sich mit 74 Prozent die große Mehrheit eine Fortsetzung des Homeoffice auch nach Corona. Raiffeisen Immobilien Sprecher Nikolaus Lallitsch zieht daraus Konsequezen, sowohl für den Wohnbau, als auch für Büroimmobilien: „Sollte dieser Wunsch nach Homeoffice von den Arbeitgebern aufgegriffen werden, könnte dies mittel– bis langfristig zu einer Verkleinerung von Büro-Immobilien sowie neuen Anforderungen im Wohnbau führen. Flexiblere Grundrisse werden dann noch gefragter sein.“
Doch nicht nur die Arbeit beflügelt den Wunsch nach mehr Rückzugsraum – Privatsphäre ist ein hohes Gut, dass man auch in den eigenen vier Wänden genießen möchte. Sattlegger berichtet bei einigen Projekten, die sich derzeit in Bau befinden, habe man besonders in den letzten zwei Wochen vermehrt Anfragen erhalten, ob man irgendwo noch eine zusätzliche Wand einziehen oder einen Raum mehr schaffen könnte. Natürlich haben auch offene Grundrisse ihre Vorteile, die mit vielen kleinen Zimmern kaum einzuholen sind, ist Zoidl überzeugt – mit einer durchdachten und flexiblem Raumplanung: „Dem Liv Planungsteam war es stets ein Herzensanliegen, großzügige Raumkonzepte mit attraktiven Achsen zu schaffen, indem besonders darauf geachtet wurde, die Flächenanordnung zu optimieren, viel Licht ins Haus zu holen und dieses effizient zu inszenieren. Viel Licht und ein großzügiger Raum-Schnitt sind für das nach dem Lock Down verstärkt beachtete Bedürfnis nach Privatsphäre wichtiger als ein Raumkonzept mit vielen Räumen. Durch die Gestaltung des Interieurs schafft sich der Bewohner dann seine individuellen Rückzugsräume.“