Wer über das Design von Stühlen nachdenkt, kommt an den Klassikern nicht vorbei. Besonders die Thonet-Stühle gelten als Geburtsstunde des modernen Industriedesigns.
Das Verfahren des Holzbiegens über Dampf ermöglichte eine neuartige Ästhetik verbunden mit einer effizienteren Materialnutzung. Platzsparend zerlegt im Karton, wurden die Stühle in die ganze Welt verschifft. Bis heute haben sie nichts von ihrer Aktualität verloren, werden immer noch produziert und verkauft, und gleichzeitig im Museum gezeigt. Erst kürzlich hat der Bugholzstuhl No. 214 mit der Sitzfläche aus dem für Thonet typischen Wiener Geflecht einen Design-Nachhaltigkeitspreis erhalten. Die Jury bewertete Ressourceneffizienz, Umweltverträglichkeit und faire Lieferketten sowie die gestalterische Qualität, Ästhetik und Funktionalität der Einreichungen. Und das war nicht der einzige Wegbereiter von Thonet. Ende der 1920-er Jahre begann man mit gebogenem Stahlrohr zu arbeiten und fertigte bald die ersten Freischwinger. Bis heute werden Modelle überarbeitet und neu geschaffen.
Neue Materialien, neue Möglichkeiten
Ende der 1940er-Jahre folgte die nächste Materialrevolution, die Designer zum Experimentieren einlud: Kunststoff. Charles Eames entwarf für seinen Eames-Chair eine organisch geformte Sitzschale in einem einzigen Stück – glasfaserverstärkter Kunststoff machte es möglich. Zwanzig Jahre später setzte Verner Panton seinen berühmten Freischwinger um. Beide in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Möbelhersteller Vitra. „Die Rollenverteilung ist nicht die des Auftraggebers und Auftragnehmers. Zwei Unternehmer – der Designer und Vitra – suchen gemeinsam nach der besten Lösung. Unsere Aufgabe ist dabei, das stimulierende Umfeld, die technische Unterstützung, die gute konzeptionelle Diskussion und die konstruktive Kritik zu bieten“, so die Unternehmens-Philosophie der Schweizer.
Zuletzt ist bei Vitra der Nachhaltigkeitsgedanke in den Vordergrund gerückt. „Um bei einem Produkt von Nachhaltigkeit zu sprechen, muss man das ganzheitlich betrachten – von den eingesetzten Materialien, über die Produktionsstätte und -weise bis zur Lieferkette, Verpackung und Möglichkeiten für Re- oder Upcycling. Aber auch die Langlebigkeit von Produkten ist dabei ein wichtiges Thema. All diese Aspekte berücksichtigen wir bei Vitra bei der Entwicklung von neuen Produkten sowie der Weiterentwicklung von bestehenden“, erzählt Michaela Freisinger von Vitra. „Unser EVO-C etwa besteht zur Gänze aus Polypropylen, er kann ohne weitere Demontage oder Materialtrennung in den Recycling-Kreislauf gegeben werden.“
Minimalistisch und stapelbar
Trotz der neuen Materialien blieb Holz ein wichtiger Werkstoff für Designer. Ein weiterer Weg, Holz materialsparend an die runden Formen unseres Körpers anzupassen, ist Formsperrholz. Der dänische Möbelhersteller Fritz Hansen setzte gemeinsam mit dem Designer Arne Jacobsen mit den Stapelstühlen Ant und Series 7 in Perfektion um. Jacobsen nutzte dabei eine Technik in der Verarbeitung von schichtverleimten Furnierplatten. Damit ist es möglich, Platten um zwei Achsen zu biegen und so dreidimensionale Sitzschalen zu erzeugen. Wie andere Klassiker haben die minimalistischen und auf das Wesentliche beschränkten Stühle bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Mit ihren verschiedenen Holztönen und Lackfarben ordnen sie sich den Modeströmungen der Jahrzehnte flexibel unter. Erst vergangenes Jahr wurden sie in einer aktuellen Version mit Frontpolsterung in dezenten Farben vorgestellt: „Wir glauben, dass nichts besser ist als wirklich großartiges Design – Design, das über seine Funktion und Form hinaus dem Zweck dient, in unseren Wohnungen und unserem Alltag farbenfrohe und ästhetische Akzente zu setzen.“
Gut gepolstert
Die minimalistischen Designklassiker sind freilich nicht jedermanns Sache. Gerade beim Sitzen steht die Bequemlichkeit oft an erster Stelle. Als Polstermöbelmanufaktur hat Wittmann eine besondere Herangehensweise zum Thema Stühle. Textilien und Polster stehen im Mittelpunkt der Entwürfe. Seit den 1950er-Jahren entwickelte sich das Unternehmen zu einer international renommierten Polstermöbelmanufaktur. Stühle und Sofas werden in akkurater Handarbeit gefertigt, mit einer Expertise, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und bis zur Blütezeit der Wiener Werkstäten zurückreicht. Im Programm hat das österreichische Unternehmen Stühle wie den schlichten Sedan, der sich durch eine markante, dreidimensional wirkende Rückseite auszeichnet. Oder den Merwyn mit runder Sitzfläche und auffälligem Keder. Für besonders bequemes Sitzen sorgt der Taschenfederkern. Wie bei den anderen Wittmann-Modellen ist er vielfältig gestaltbar. Bezüge, Gestaltung der Füsse und Armlehnen sind wählbar. Stühle mit Armlehnen fördern eine angenehme Haltung beim Sitzen, haben aber auch einen größeren Platzbedarf.