Von Kaffeesatz bis Marmorstaub: Was geschieht, wenn Designer, Abfall als wertvolles Material betrachten und Nebenprodukte wie Gesteinsmehl, Kaffeesatz oder Eierschalen zum Ausgangspunkt für Neues werden?
In Zeiten von Ressourcenknappheit, Klimakrise und Überproduktion gewinnt ein radikales Umdenken an Bedeutung: Nicht mehr das Neue und Unberührte steht im Mittelpunkt, sondern das Wiederverwendete und Transformierte. Die Ergebnisse sind überraschend: Statt notdürftiger Kompromisse entstehen elegante, funktionale und oft poetische Objekte. Designer weltweit experimentieren mit Reststoffen und entwickeln Materialien, die Innovation mit Umweltbewusstsein verbinden. Viele dieser Konzepte leisten einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz: Die Wiederverwertung von Glas spart bis zu 30% Energie im Vergleich zur Neuproduktion, und biobasierte Kunststoffe wie PLA verursachen bis zu 80% weniger Treibhausgase als herkömmliches Erdöl-Plastik. Projekte wie „The Offcut Tray“ von FÓLK oder die Eierschalenwände der YOD Group bewahren tonnenweise Abfälle davor, auf Deponien zu landen.
Nataša Perković – Palmölreste als Designmaterial
Die bosnische Designerin Nataša Perković verwandelt industrielle Reststoffe in hochwertige Designobjekte. In ihrer Kollektion „Reclaimed Oil Palm“, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kyoto Design Lab, verarbeitet sie Nebenprodukte der Palmölproduktion – ein Material, das bisher hauptsächlich für seine Umweltprobleme bekannt war. Die Kollektion umfasst einen 3D-gedruckten Stuhl, Teller und eine Pendelleuchte.

Bemerkenswert ist die konsequente Materialreduktion: Jedes Design ist auf minimalen Materialeinsatz bei maximaler Stabilität ausgelegt. Perković verwandelt ein umweltbelastendes Material in eine wertvolle Ressource – und setzt damit ein Zeichen für die Zukunft des Designs.
FÓLK – Steinreste werden zu Design-Highlights
Das isländische Designlabel FÓLK beweist seit 2018, dass Reste aus der Steinverarbeitung mehr sein können als nur Schutt. Für die Serie „The Offcut Tray“ arbeitet FÓLK mit einem portugiesischen Zulieferer zusammen und nutzt die bei der Steinmetzarbeit anfallenden Reste von Marmor und anderen Natursteinen. Das Ergebnis sind elegante, minimalistische Tabletts, die in ihrer Schlichtheit von Wiederverwertung und Materialintelligenz erzählen. Jedes Stück ist ein Unikat, geprägt von den individuellen Eigenschaften des ursprünglichen Gesteins.

Gemeinsam mit dem schwedischen Designstudio Navet zeigt das Label mit seiner „Lava Glass“-Kollektion, wie sich Ästhetik und Nachhaltigkeit verbinden lassen. Die Vasen bestehen vollständig aus recyceltem Glas, und auch der Produktionsprozess folgt einem konsequent nachhaltigen Ansatz: Die Herstellungsenergie stammt komplett aus wiederverwerteten Abfällen. Was zunächst wie skulpturale Kunstobjekte wirkt, ist in Wirklichkeit ein Statement für einen neuen Umgang mit Ressourcen.
YOD Group – Eierschalen als Wandgestaltung
In der Patisserie Cukiernia in Lviv, Ukraine, schuf das Designstudio YOD Group ein Interieur mit besonderer Bedeutung. Die Wände sind mit einem speziell entwickelten Eierschalenputz gestaltet. Die verwendeten Schalen – über 1.500 Kilogramm – stammen von lokalen Geflügelbetrieben und wurden für das Projekt gereinigt, getrocknet und zu einem einzigartigen Oberflächenmaterial verarbeitet. Das Material ist nicht nur nachhaltig, sondern verweist gleichzeitig auf die kulinarische Identität des Ortes.
Alt Light L – Leuchten aus Maisstärke
Mit der Leuchtenserie „Alt Light L“ zeigt das französische Label altlight.fr, dass auch biobasierte Kunststoffe großes gestalterisches Potenzial haben. Die Lampenschirme bestehen aus PLA, einem Material auf Basis erneuerbarer Maisstärke. Die in verschiedenen Farbtönen erhältlichen Leuchten wirken filigran und modern – und sind zudem biologisch abbaubar. Eine ideale Lösung für alle, die Design mit Umweltbewusstsein verbinden möchten.

Biohm – Kompostierbare Lampenschirme
Die Lampenschirme der Serie „Obscure“ von biohm.co.uk gehen noch einen Schritt weiter: Sie bestehen aus einer Mischung aus Kaffeesatz und Orangenschalen – zwei Abfallprodukten, die normalerweise entsorgt werden. Hier werden sie zu kompostierbaren Designobjekten mit ausdrucksstarker Wirkung. Mit dieser Materialwahl hinterfragt Biohm nicht nur die Lebensdauer von Produkten, sondern auch unseren täglichen Umgang mit Abfall.
So zukunftsweisend diese Ansätze auch sind – sie stehen vor konkreten Herausforderungen: Die Skalierbarkeit vieler Prozesse ist begrenzt, und die Kosten für Materialaufbereitung oder Kleinserien liegen oft höher als bei herkömmlichen Produkten. Bei neu entwickelten Materialien müssen Aspekte wie Haltbarkeit und Funktionalität stets neu getestet werden. Manchmal sind kleine Kompromisse unvermeidlich – etwa bei der Stabilität, Hitzebeständigkeit oder beim Pflegeaufwand.

(c) Hersteller; Cukiernia_by_YOD: Avramenko