Konventionelle Leuchten waren gestern – die neue Generation verbindet lebende Organismen mit adaptiver Technologie, verwandelt Muschelschalen in leuchtende Oberflächen und lässt Lichtquellen vollständig in der Architektur verschwinden.
Die Euroluce 2025, eingebettet in Mailands renommierten Salone del Mobile (alles zu den fünf Top-Trends finden Sie hier), hatte den Anspruch, die Beleuchtungsbranche zu recolutionieren. Auf dieser prestigeträchtigen Designplattform haben führende Experten neu definiert, was zeitgenössische Beleuchtung im Spannungsfeld zwischen Technologie, Nachhaltigkeit und Raumerlebnis bedeutet. Die Zeit rein funktionaler Lichtquellen oder dekorativer Accessoires ist vorbei – moderne Konzepte bewegen sich selbstbewusst zwischen technischer Innovation und Raumgestaltung.
Die neue Lichtsprache
Die diesjährige Ausstellung zeigte eine deutliche Abkehr von den dekorativen Übertreibungen früherer Saisonen. „Wir erleben eine grundlegende Neuausrichtung in der Herangehensweise der Designer an Beleuchtung“, erklärt Maria Porro, Präsidentin des Salone del Mobile.Milano. „Die innovativsten Gestalter verstehen, dass Licht Räume nicht einfach nur erhellt – es formt aktiv unsere Wahrnehmung.“

Dieses Prinzip zeigte sich eindrucksvoll in der Zusammenarbeit von Artemide mit Neri&Hu, bei der ultradünne Keramikelemente in beleuchteten Volumen zu schweben scheinen. Diese Stücke lösen die traditionelle Vorstellung von Leuchtkörpern auf und schaffen ein Erlebnis, bei dem die Lichtquelle fast unsichtbar wird, während ihre Wirkung das sensorische Erlebnis prägt.
Biophile Beleuchtung: Zurück zum natürlichen Rhythmus
Der überzeugendste Trend auf der Euroluce 2025 war die Integration biophiler Prinzipien. Louis Poulsens „Circadian“-Kollektion verkörpert diesen Ansatz mit einem adaptiven System, das Farbtemperatur und Intensität im Tagesverlauf anpasst und sich auf natürliche Körperrhythmen einstellt. Die Leuchten – filigrane Strukturen aus mundgeblasenem Glas und gebürstetem Messing – erinnern an organische Formen, ohne diese direkt nachzuahmen.
Noch radikaler positionierte sich Flos mit „Photosynthesis“ – Objekte, die gleichzeitig als Leuchte und lebendes Ökosystem funktionieren. Diese Integration spezieller LED-Technologie unterstützt das Wachstum ausgewählter Pflanzenarten bei gleichzeitiger Raumbeleuchtung. Das verantwortliche Designstudio Formafantasma beschreibt das Konzept als „Kommentar zur künstlichen Trennung zwischen natürlichen und gestalteten Umgebungen“ – exemplarisch für den philosophischen Ansatz moderner Lichtgestaltung.
Interaktive Technologie und natürliche Elemente
Moderne Technologie macht Beleuchtung hochgradig interaktiv. Die neue Posi-Lampe von Luceplan, entworfen von Umut Yamac, spielt mit diesem Thema und nutzt fortschrittliche Sensoren. Diese Lichtquelle geht über das herkömmliche Lampenkonzept hinaus und schafft durch Form und Technologie unerwartete Interaktionen und spielerische Effekte.

Auch dieses Jahr arbeitet Olev am Thema Schalldämmung mit Gavin Silence Leaf und Meeting Silence Leaf – beide Deckenpendelleuchten kombinieren Licht mit stabilisierten Pflanzen wie Farnen, Efeu und Eukalyptus, um Geräusche zu absorbieren und Räume mit verbessertem akustischem Wohlbefinden zu schaffen.
Die Orbis-Lampe, Axolights Neuheit für 2025, entwickelt vom Axolight-Labor, arbeitet mit Lichteffekten und Glas. Mit Dusk von BIG für Artemide gelangt das Lichtspektrum des Sonnenlichts durch eine Kombination und Balance verschiedener Emissionsspektren in Wohnräume und erschafft so die tausend Nuancen des natürlichen Lichts.

Ilti Luce präsentiert verschiedene innovative Lösungen, die elegantes Design mit fortschrittlicher Technologie verbinden. Zu den Neuheiten gehört die Downlight-Lampenserie, die durch ihr minimalistisches und funktionales Design besticht – ideal für Räume, die eine Beleuchtung mit UGR<19 und sanftes indirektes Licht dank des opalen Oberlichts benötigen. Eine weitere interessante Innovation ist das Gravity-System aus der FLEX-Kollektion, das eine neue Magnettechnologie einführt. Dieses System bietet hochflexible Beleuchtungsmöglichkeiten und ermöglicht die Gestaltung charakteristischer Lichteffekte, die an die Anforderungen jedes Raumes angepasst werden können.
Material-Innovation: Nachhaltige Sinnlichkeit
Die Materialauswahl der Euroluce 2025 zeigte ein verstärktes Interesse an Nachhaltigkeit, kombiniert mit sinnlicher Qualität. Foscarinis Erweiterung ihrer „Earth“-Serie verwendet ein Verbundmaterial aus recycelten Muschelschalen und Algenresten. Die unregelmäßigen, haptischen Oberflächen fangen Licht ein und streuen es auf unvorhersehbare Weise, wodurch sich ständig verändernde Muster entstehen – eine bewusste Anspielung auf natürliche Lichtbrechungen.
Der dänische Hersteller &Tradition ging mit seiner „Tactile Light“-Kollektion noch einen Schritt weiter: Lampenschirme aus Myzel – der Wurzelstruktur von Pilzen – gezüchtet auf landwirtschaftlichen Abfällen. Diese biologischen Materialien wurden so entwickelt, dass sie präzise optische Eigenschaften erreichen und zeigen eindrucksvoll, wie Nachhaltigkeit Innovation fördern statt einschränken kann.
Jenseits des Objekts: Licht als architektonisches Element
Besonders bedeutsam war die Abkehr vom Konzept der Leuchte als separates Objekt. Stattdessen erforschten führende Designer Beleuchtung als integralen architektonischen Bestandteil, der Raumerlebnisse grundlegend prägt.
Viabizzuno präsentierte mit „Non-Fixture“ ein System, das vollständig in Gebäudeoberflächen integriert wird und den sichtbaren Beleuchtungskörper eliminiert, während es präzise Kontrolle über Lichtqualität und -verteilung ermöglicht. Dieser Ansatz deutet auf eine Zukunft hin, in der Lichtdesign und architektonische Planung untrennbar verbunden sind.
Das aufstrebende Studio Umbra Lab ging mit „Field“ noch weiter – eine raumgreifende Installation aus Hunderten mikroskopisch kleiner Lichtquellen, eingebettet in eine textile Struktur. Hier scheint Licht aus dem leeren Raum zu entstehen und stellt grundsätzlich in Frage, was eine „Leuchte“ im zeitgenössischen Design überhaupt ausmacht.
Das immaterielle Material
Wie die Designerin Sabine Marcelis in ihrer vielbeachteten Keynote formulierte, hat sich Licht zum „immateriellen Material“ entwickelt – ein Medium, das, obwohl physisch nicht greifbar, außerordentliche Kraft besitzt, unsere Wahrnehmung und unser Erleben von Räumen zu gestalten.
(c) Luceplan; OLEV; Axolight; Vibia; Ilti Luce; Salone Milano