Es sprießt, rankt und gedeiht in unserem Zuhause. Florale Muster waren nie weg, aber sind heute so schön, wie nie zuvor. Ein Plädoyer für mehr Mut zum Muster.
Zugegeben, manche Tapeten sind schon etwas für ganz Fortgeschrittene. Etwa das Modell „Bloom“ in „Midnight Blue“ von Sandberg. Einen ganzen Raum nachtblau zu verkleiden – mit Blumenranken und ein paar vereinzelten Vögeln – das ist schon speziell. Aber auch unglaublich effektvoll. Gerade bei Tapeten heißt es ja oft, man solle sie eher in Durchgangszimmern affichieren, in Räumen, in denen man sich nicht immer aufhält. Aber: Wenn es um Naturszenarien geht, tritt der Abnutzungseffekt nicht ein. „Unser Auge ist daran gewöhnt, Blumen und Pflanzen werden nie als störend empfunden.“ Das erklärt Marie Hartig, gelernte Filmschaffende, seit Jahren erfolgreich als Malerin – sie selbst bezeichnet sich so, Künstlerin kommt ihr im Gespräch nicht über die Lippen. Hartig setzt in ihrer Arbeit auf die ganz große Leinwand, die Wand. Das befreie sie. Ihre maßgeschneiderten Murals bringen das Außen nach Innen, aber auch das Innen nach Außen, da es für die Motivwahl oft „nostalgische Gründe“ gäbe. Bäume aus der Kindheit – oder der weit entfernten Heimat. Beispiel: eine österreichische Familie in Asien, für die Hartig jegliche Grenzen mit Farbpigmenten pulverisierte.
Welche Blume passt zu wem?
Da steht die Palme vor dem Hochkönig, die Pagode neben der Kirche. „Durch meine Wandgemälde schaffe ich Porträts von Familien, ohne deren Gesichter zu zeigen“, lächelt Hartig, die als Diplomatentochter österreichischer Eltern weit gereist ist. „Man muss sich überlegen, welche Pflanzen braucht exakt dieses eine Zimmer?“ Genau das ist ein wichtiger Punkt: Floral ist nicht gleich floral, Pflanze nicht gleich Pflanze. Heutzutage geht es um Feinheiten, darum, Persönlichkeit zu zeigen. Und nicht zu jedem Raum oder zu jedem Menschen passt die überdimensionale Rose. Mag ich die Blume nicht als Teil eines Straußes im Wohnzimmer, dann bitte auch nicht an der Wand. Die Wirkung von Pflanzen darf man nicht unterschätzen – auch nicht in gemalter Form. „Ingwer ist zum Beispiel wohltuend“, nennt Hartig ein Beispiel. Sehr lässig seien auch Kräuter wie etwa Mutterkraut oder Frauenmantel – besonders, wenn man sie zimmerhoch abbildet. So wie in einem Flur, den Hartig polychrom begrünt hat. Darauf muss man erst mal kommen, dafür braucht es einfach Berufene. Aber auch mit der guten alten Palme kann Hartig arbeiten. Sie sorgt für eine warme Atmosphäre. Die Wienerin weiß, das üppige Motive, auf denen sich so einiges abspielt und das Auge umherwandert, auch für Gesprächsstoff sorgen, beispielsweise in einem Esszimmer, an einem Abend mit Freunden. „Jeder sieht was anderes. Es ist wie eine Weltreise.“ Und gerade Blumen und Blüten fungieren dabei wie Hieroglyphen der Natur.
Von realistisch bis zu stilisiert
Eigens eine Künstlerin zu engagieren, ist natürlich das Nonplusultra, aber es geht auch eine Nummer kleiner. Die Bandbreite an Tapeten wächst und gedeiht, die Motive orientieren sich gerne an längst vergangenen Epochen, fernen Kulturen und zelebrieren allesamt den Eskapismus. Sich hinweg träumen, in surreale Welten, die irgendwie auch vertraut sind. „Sanderson“ bringt beim Modell „Bamboo & Birds“ etwa Bambus, Hibiskus, Hortensie und Glyzinie mit nicht näher definierten „exotischen Vögeln“ zusammen. Diese filigranen, detailverliebten Szenerien sind ohne Frage im Trend, sie versprühen eine ganz eigene Art von Finesse. Und: auch wenn die zeitgeistigen Motive etwas Verträumtes haben, sie sind nicht zu vergleichen mit den lieblichen Mustern der 1950er-Jahre, die man von den Eltern oder mittlerweile Großeltern kennt – und deswegen als altbacken assoziiert. Nach den 1950ern kam die Flower-Power Ära, dann die 1970er, in denen alles ordentlich knallen durfte und so ging es weiter – man erinnert sich. Das Florale ist nie ganz verwelkt, wenn auch die Minimalismus-Bewegung zu einem gewissen Botanik-Boykott im Interieur geführt hat. Wie aber auch schon Hartig eingeworfen hat: Heute zeigt man wieder mehr Kanten und Ecken und eben auch Dornen und das führte auch dazu, dass Rose und Dahlie oder auch Bambus und Birke sprießen, wie nie zuvor.
Die gesamte Story finden Sie zum Nachlesen in der neuen Printausgabe des Design DE LUXE Magazins Nr.13