Von finnischen Saunen bis zum türkischen Hamam: Was heimische Sauna-Bauer inspiriert und welche Design-Ansprüche die einstigen Keller-Kinder heute erfüllen müssen.
Die Finnen haben’s erfunden – oder zumindest wurde deren Sauna-Kultur 2020 von der Unesco der Status eines immateriellen Kulturerbes verliehen. Und auch die Verbreitung des Saunierens in Österreich haben wir den nördlichsten aller Skandinavier zu verdanken, wie Jürgen Klingenschmid, Klafs-Österreich-Chef, weiß: „In den 1950er Jahren gewannen einige finnische Leichtathleten recht spektakulär Medaillen und sprachen dann in Interviews über das, was heute bestens bekannt ist: Dass Saunieren bei 90 bis 100 Grad und zehn Prozent relativer Luftfeuchtigkeit dabei hilft, Laktat abzubauen – also Muskelkater zu verhindern. Aber auch die Blutgefäße erweitert.“ Mit der Verbreitung dieses Wissens begannen die Saunen ihren Siegeszug über die Kuranstalten in die Privathaushalte und letztendlich bis in die Kleiderschränke der Wiener Zinshäuser, aber der Reihe nach.
Denn auch wenn der Begriff der „finnischen Sauna“ hierzulande der gängigste ist, haben die Bewohner des Landes der 1000 Seen das therapeutische Schwitzen nicht als einzige Nation frühzeitig für sich entdeckt. Auch die indigenen Einwohner Nordamerikas wussten um die gesundheitsfördernden Eigenschaften ihrer Schwitzhütten, im osmanischen Reich stiegen die Hamams zu Orten der Wellness und Kommunikation auf, in Russland die Banjas. Das japanische Saunieren unterscheidet sich streng genommen ein wenig, weil dort im heißen Bad – besonders beliebt sind die Onsen, die heißen Quellen — geschwitzt wird; die Wirkungen in Sachen Entschlackung sind jedoch ähnlich. Was mehr und mehr Österreicher mittlerweile zu schätzen gelernt haben, denn die Onsen-Bäder haben in den vergangenen Jahren die gehobene heimische Wellness-Hotellerie erobert.
Auch optisch beeinflussen exotische schweißtreibende Entspannungsorte manchen heimischen Sauna- und Wellnessbereich. „Wir schauen überall nach Inspirationen, zum Beispiel über Instagram – von der Schwitzhütte bis zum Hamam. Und machen Dinge, die wir dort spannend finden, mit modernem Design für Österreich anwendbar“, berichtet Josef Deisl, Geschäftsführer des gleichnamigen steirischen Saunaherstellers.
Abgesehen von der Optik – die typisch finnische Sauna hat mit einem Hamman herzlich wenig zu tun – unterscheiden sich die Wellnessmethoden der Welt aber auch in den Feinheiten ihrer Darreichungsform. Was Kleinschmid, der auch Vizepräsident des österreichischen Saunaforums (ÖSF) ist, vor allem den unterschiedlichen Klimazonen zuschreibt, in denen die jeweiligen Formen erfunden und perfektioniert wurden. „Vieles ist in den verschiedenen Sauna-Kulturen sehr ähnlich und lässt sich nur schwer trennen. Noch heißer als die klassischen Sauna, wie wir sie aus Finnland kennen, ist die russische Banja, „die oft erst bei 105 Grad anfängt und so ziemlich das Härteste, was es gibt“, so Deisl. Deutlich angenehmer ist das Sanarium, das sogenannte Warmluftbad, das bei Temperaturen von 45 bis 60 Grad und rund 20 bis 55 Prozent Luftfeuchtigkeit angesiedelt ist. Dazu gehören beispielsweise auch die Schwitzhütten, bei denen – wie auch in den Saunen und Banjas – durch Aufgüsse plötzlich Luftfeuchtigkeit freigesetzt wird. Außerdem spielen Kräuter und Mineralien je nach Kultur eine andere, wichtige Rolle. In den Banjas setzt etwa das „Geißeln“ mit Birkenzweigen Wirkstoffe frei und sorgt ähnlich wie das Wedeln für die Zerstörung der obersteb Schweißschicht, um die Hitze näher an die Haut zu bringen; in Japan wird der Körper mit grobem Salz eingerieben.
Nebelbad mit Massage
„Eine Abwandlung des Sanariums ist das Tropenbad, das mit 48 bis 75 Grad Celsius und 20 bis 50 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit recht tough ist“, erklärt Kleinschmid weiter. „Und eigentlich eine Abwandlung des Hamams ist – des Dampfbades, das strenggenommen ein Nebelbad ist. Denn 100 Prozent Luftfeuchtigkeit sind physikalisch Nebel, auch wenn wir damit immer den kalten Nebel assoziieren.“ Das Besondere im Hamam im Unterschied zum heutigen Dampfbad sei allerdings die Behandlung des Badegastes mit wohlriechenden Seifenwasserlösungen durch den Masseur- „Das muss man einfach erlebt haben“, sagt der Sauna-Experte – und befindet sich damit in bester Gesellschaft. Denn auch literarisch ist dieses Erlebnis immer wieder festgehalten worden, unter anderem im Helmuth von Moltkes Buch „Unter dem Halbmond“, in dem er in den 1830er Jahren schreibt: „Der Patient wird nun demselben Verfahren unterworfen wie die türkischen Pferde beim Striegeln, indem nämlich der Wärter einen kleinen Sack aus Ziegenhaar über die rechte Hand zieht und damit den ganzen Körper anhaltend überfährt. Dies ist allerdings eine gründliche Reinigung, und man möchte sagen, dass man noch nie gewaschen gewesen ist, bevor man nicht ein türkisches Bad genommen hat.“ Auch die Saunen wurden einst wegen ihrer hygienischen Bedingungen geschätzt, berichtet Josef Deisl. „In Finnland wurden früher in sogenannten Rauchsaunen die Kinder geboren“, weiß er. Diese fanden sich meist als Gemeinschaftssaunen wurden mit Feuer und Rauch aufgeheizt, und waren nach dem Ablöschen des Feuers durch den Ruß die keimfreiesten Orte in den Dörfern.
Schwitzen und reden
Auch bei den römischen Bädern stand vor allem die Hygiene im Vordergrund – was seit der Erfindung von fließend Warmwasser eher kein großes Thema mehr ist – aber auch die Kommunikation. Die – zumindest im öffentlichen Bereich – sehr wohl auch heute noch ein Thema ist, wie Kleinschmid weiß. „Während Covid hat vielen diese Plattform zum sozialen Austausch gefehlt, und sobald man wieder reisen durfte, haben die Menschen sie wieder genutzt.“
Das tat der Begeisterung für private Saunen – oder den klassischen Dreiklang aus Sauna, Dampfbad und Infrarotkabine – aber keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, in den vergangenen Jahren sind die schweißtreibenden Räume sogar hinauf befördert worden, wie Deisl berichtet. „Seit ein paar Jahren sehen wir einen Trendwechsel von der Kellersauna ins Bad. Die Sauna ist jetzt ein Möbel- und Designerstück, und nicht mehr der dunkle Raum im Keller, aus dem man erst die Ski rausräumen muss. Und wird dadurch auch viel häufiger genutzt.“ Gefragt seien derzeit organische Formen, die Lamellen werden feiner, auch im Dampfbad gibt es jetzt geschwungene Liegen. „Außerdem geht es in die japanisch Richtung des Wabisabi, da wird beim Massivholz mehr verziehen. Das darf heute auch mal ein kleines Mackerl haben – früher war so etwas ein Riesenproblem.“
Aufstieg auf die Wohnebene
Mit dem Aufstieg auf die Wohnebene haben sich auch die Ansprüche an das Design verändert. Galt einst für Wohnzimmer, dass diese bei aller Liebe zu massivem Holz nicht aussehen sollten wie eine finnische Sauna, gilt das inzwischen auch für – genau: die finnische Sauna. „Beim Design, den Materialien und in der Kombination mit Licht sollen die Saunen immer wohnraumähnlicher werden, da gibt es Lampenschirme, geometrische Formen und Fischgrätmuster; aber auch viele textile Materialien“, berichtet Klingenschmid. Ein Bedarf, den Klafs unter anderem in der Zusammenarbeit mit Top-Designern bedienen will. So wurde gemeinsam mit der der französischen Designerin Gesa Hansen die Sauna Gesa auf den Markt gebracht, die mit weißen Liegen und schwarze Wänden dem Japandi-Trend folgt; für das jüngste Baby wurde das Studio F.A. Porsche verpflichtet, um eine Sauna mit dem ästhetischen Anspruchs eines Porsche 911 zu entwickeln. Das Ergebnis heißt passenderweise S11 und muss sich wirklich nicht mehr im Keller verstecken. Sondern kann durchaus auch als Conversation-Piece im Wohnbereich glänzen: Die freistehende Variante hat eine in mehreren Stufen lackierte Außenwand in Metallic-Champagner, die Front ist aus rahmenlosem Glas, im Inneren sorgen Rundungen für fließende Übergänge zwischen Liegen und Wänden und die versteckte Technik sorgt für einen puristisch Anblick.
Das Bedürfnis nach Design ist aber nicht nur im Inneren, sondern auch in der Architektur der Schwitzhütten im Außenbereich deutlich gestiegen – wobei das Wort „Hütte“ eigentlich kaum mehr angemessen ist. Mit entsprechend robusten Budgets und der Bereitschaft, sich auch auf neue Ideen einzulassen, entstehen teils architektonische Kleinode an den Pools und in den Gärten, die der Architektur des Haupthauses in nichts nachstehen – und auf diese abgestimmt werden. „Wir haben beispielsweise auf den Balearen eine Sauna im Finca-Stil gebaut, in Schladming bei einem Dampfbad wieder mit regionalen Materialiengearbeitet und versucht, den Dachsteins auch in der Formensprache aufzugreifen“, erklärt Deisl. Inspirationen findet er dabei auch bei Städteplanern, oder entwickelt selbst „lustige Ideen“, wie eine Seesauna, die mittels Seilzug aufs Wasser rausfährt. „Da gibt es dann unten die Saune und oben das Deck“, erzählt er.
Aufgüsse von Siri
Erleichtert werden die ästhetischen Ansprüche an das Design auch dadurch, dass sich die Technik permanent weiterentwickelt, was die Sauna-Fans bei aller Liebe zu traditionellen Schwitztechniken durchaus zu schätzen wissen. So gehe es heute weniger darum, eine Sauna zu besitzen, sondern sie auch wirklich als Bestandteil des persönlichen Lebensstils nutzen zu können, weshalb sie einfach gut funktionieren und leicht bedienbar sein müssen. „Die Möglichkeit, einen Aufguss per Sprachsteuerung zu machen, ist eindeutig ein Mehrwert“, so Klingenschmid. „Und ich schätze es auch persönlich sehr, wenn ich noch von der Skipiste aus per App die Sauna vorheizen kann“, so der Tiroler und begeisterte Saunierer.
Das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist aber auch im Wellness-Bereich spürbar. „In der Hotellerie denken viele jetzt über Wärmerückgewinnung nach; im Privaten gehen viele weg von den Gasöfen“, berichtet Deisl. Auch die Kubaturen werden genauer überdacht, „denn viele machen den Fehler und planen viel zu groß.“ Gerade Außensaunen würden fast immer überdimensional geplant, ein Klassiker seien zwölf Quadratmeter. „Damit wäre die Sauna in Österreich für zwölf Personen zugelassen; Privatsaunen werden aber zu 80 Prozent allein oder zu zweit genutzt“, so Deisl. Neben einer Beschränkung in der Größe sei auch die Verwendung von Öfen mit einem höheren Steinvolumen sinnvoll, da es länger nachwirkt, wenn mehr Steine heißwerden.
Auch technisch gibt es bereits Modelle, die das Bedürfnis nach mehr Nachhaltigkeit und geringeren Energiekosten berücksichtigen, so hat Klafs mit dem Green Sauna-Paket eine Lösung entwickelt, die den Energieverbrauch dem Verhalten der Saunier anpasst. „Eine Abschaltautomatik sorgt dafür, dass das Licht und Teile des Ofens heruntergefahren werden, wenn der Gast die Kabine verlässt“, erklärt Klingenschmid. Die Temperatur bleibt dagegen erhalten, bis der Besitzer vom Duschen oder Ruhen wieder zurückkommt.