Die Schatzmeister des Betongoldes und ihre Kunstwerke

Heimische Baustoffproduzenten schaffen das Material für die Zufluchtsorte des Vermögens, die nicht nur vor der Inflation schützen, sondern architektonisch herausragend sind.

Der Zufluchtsort für das eigene Vermögen in schwierigen Zeiten hat einen eigenen Namen: „Betongold“ nennen Steuerberater, Makler und Vermögensverwalter jene Investitionen, mit denen der Inflation am sichersten entgegengewirkt werden kann. Neben der berühmten Lage, Lage, Lage – die etwa in der Wiener Innenstadt, in Kitzbühel oder rund um die heimischen Seen eine ganz eigene Kategorie an Schätzen bildet – wird in Häuser und Wohnungen investiert, die in Österreich einen ganz besonderen Wert haben. Dazu trägt nicht nur die im internationalen Vergleich extrem hohe Rechtssicherheit durch das heimische Grundbuchsystem bei, sondern auch die lange Tradition des Bauhandwerks, die bis in die Römerzeit zurückverfolgt werden kann. Bereits in Carnuntum wurde ein Vorläufer des Betons eingesetzt – und seitdem ist viel passiert. Beton hat sich zu einem Baustoff entwickelt, der, richtig eingesetzt, aus der anspruchsvollen modernen Architektur nicht mehr wegzudenken ist. Auch wenn ihm seine Verwendung auf dem Höhepunkt des Brutalismus eine Zeit lang einen gewissen Imageschaden eingebracht hat – heute wissen Baumeister, ihn großartig einzusetzen. Das hat heimischen Architekten erst jüngst wieder gleich zwei Platzierungen auf der Liste der schönsten Betonbauten im renommierten „Architectural Digest“-Magazin eingebracht: Dort finden sich unter internationalen Prestige-Objekten ein Haus des Vorarlberger Architektenbrüderpaars Marte.Marte und ein Betonsolitär des Büros Becher und Zaffignani.

Lange Tradition

Darüber hinaus ist Österreich auch ein guter Standort für die Gewinnung und Herstellung verschiedenster Baumaterialien. So entwickelte sich Wienerberger im Lauf seiner langen Geschichte zum größten Ziegelhersteller Europas und ist bis heute ein innovatives wie vielfach preisgekröntes Unternehmen. Auch Eternit wurde in Österreich erfunden: Ludwig Hatschek meldete im Jahr 1899 in Österreich und 1900 in Deutschland sein Patent für die Herstellung des Faserzements an, und bis heute wird Eternit nach dem sogenannten Hatschek-Prozess hergestellt, wie Eternit-Geschäftsführer Hans-Jörg Kasper berichtet.

Rohstoffe für die Herstellung hochwertiger Baumaterialien finden sich in der Alpenrepublik genug. „In Österreich gibt es rund 950 Sand- und Kiesgruben, in denen die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen erfolgt“, erklärt Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbandes Stein- und keramische Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich. „Glücklicherweise verfügt Österreich (noch) über genügend Vorkommen, sodass man insbesondere bei den Baurohstoffen nicht von Importen abhängig ist, sondern eine regionale Versorgung mit geringen Transportwegen möglich und gesichert ist.“ Auch Kasper weiß die Qualität der heimischen Vorkommen zu schätzen: „Eternit wird fast ausnahmslos aus natürlichen Rohstoffen wie Zellstoff, viel Wasser, Luft, Zement und einem kleinen Teil Kunststoffen hergestellt. Und dafür haben wir etwa beim Zellstoff durch die großen Holzvorkommen beste Voraussetzungen.“ Dieser stamme aus dem Süden Österreichs, der Zement direkt aus der Nachbarschaft des Werks in Vöcklabruck, vom Traunsee.

Eternit hat sich längst im Designbereich und auch im Innenraum etabliert.

Verarbeitungskompetenz

Außerdem gibt es in der Alpenrepublik die nötige Infrastruktur und handwerkliche Kompetenz für die Herstellung. „Die Verarbeitungs- und Veredelungstechniken bestehen aus einer breiten Palette an Möglichkeiten“, so Pfeiler. „Für die Gewinnung mineralischer Rohstoffe werden die Festgesteine aus Steinbrüchen durch unterschiedliche Brecher und Mühlen zerkleinert, um verschiedene Korngrößen zu erlangen, die dem Einsatzgebiet zugeführt oder zu Baumaterialien weiterverarbeitet werden können“, erklärt er.

Und die Einsatzgebiete sind vielfältig: Allein beim Beton reichen die Produkte von Sichtbeton, der in ausgehärtetem Zustand die Eigenschaften von Gestein hat und entsprechend in seiner durch die Schalung erhaltenen Form und Oberfläche belassen werden kann, bis zu Recyclingbeton, bei dem gebrochener Naturstein oder auf natürliche Weise entstandener Kies durch eine rezyklierte Gesteinskörnung ersetzt werden kann.

Nachhaltiger Einsatz

Zu den neuesten Einsatzgebieten von Beton gehört aber die Thermische Bauteilaktivierung, auch Betonkernaktivierung genannt. Damit werden Heiz- oder Kühlsysteme bezeichnet, bei denen Rohre mit Wasser oder Luft durch Wände oder Decken verlaufen und die Eigenschaften des Betons dazu genutzt werden, Wärme aufzunehmen, zu speichern und zeitversetzt wieder an die Umgebung abzugeben.

Ein Prozess, der aus der nachhaltigen Bauwirtschaft kaum noch wegzudenken ist – aber nicht der einzige Beitrag ist, den die heimischen Baustoffproduzenten zur Nachhaltigkeit leisten. „Laut Statusbericht der Abfallwirtschaft in Österreich fallen jährlich rund 11,5 Millionen Tonnen an mineralischen Bau- und Abbruchabfällen in Österreich an, davon rund 3,5 Millionen Tonnen Altbeton“, so Pfeiler. „Etwa 95 Prozent des Altbetons werden stofflich wiederverwendet.“ Darüber hinaus seien Erzeugnisse aus mineralischen Rohstoffen aufgrund der Langlebigkeit schon grundsätzlich nachhaltig, da werterhaltend. 

Allerdings braucht es im Moment nicht nur viel Geduld, sondern auch ein robustes Budget, wenn es darum geht, mit diesen Materialien zu bauen. „Derzeit sind viele Rohstoffe einer erhöhten Nachfrage ausgesetzt, und wie immer, wenn Baustoffe knapp sind, steigen die Preise“, so Pfeiler. „Allein im Juni 2021 sind laut Statistik Austria die Baukosten deutlich gestiegen. Konkret liegen sie um 12,4 Prozent höher als noch vor einem Jahr.“ Was wieder einmal zeigt, dass der Begriff „Betongold“ in schwierigen Zeiten durchaus wörtlich zu nehmen ist.