Immobilien. Man gönnt sich wieder was: Die Pandemie hat das Zuhause stärker in den Fokus gerückt, und das darf jetzt gern ein bisschen teurer sein.
Wohn-, Gewerbe- und Sonderimmobilien heißen die typischen Assetklassen, in die investiert wird, um das eigene Geld zu vermehren oder zumindest vor der Inflation zu schützen. Die Pandemie hat inzwischen ein neues Asset hervorgebracht, in das derzeit so begeistert investiert wird, wie in kein anderes: die eigene Lebensqualität. Was streng genommen natürlich in den Bereich Wohnimmobilien fällt, allerdings mit anderen Vorzeichen und Nachfragen als noch bis Ende der Zehnerjahre. Statt in ein angemessenes Zuhause und vielleicht zwei oder drei Vorsorgewohnungen oder – im größeren Maßstab – in Projekte wie Logistikzentren zu investieren, stehen jetzt die Werte des eigenen Lebensumfeldes im Vordergrund. Entsprechend fällt die Entscheidung zugunsten von mehr Platz im eigenen Heim oder eines Zweitwohnsitzes im Grünen – und dafür ein „Vernunftprojekt“ weniger.
Und das nicht nur in Einzelfällen, sondern als starker Trend, den Bauträger, Entwickler und Makler unisono feststellen. „Diese Entwicklung bemerken wir sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich“, unterstreicht Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto-Immobilien. „In der Corona-Zeit hatten viele Menschen Gelegenheit, über ihre eigene Wohnsituation nachzudenken, was den Wunsch der wohnlichen Veränderung genährt hat. Die Anforderungen an das Eigenheim sind definitiv gestiegen“, bestätigt auch Glorit-Geschäftsführers Lukas Sattlegger. Peter Havlik, Geschäftsführender Gesellschafter der Piment Immobilien & Investment GmbH stellt diesen Trend ebenso klar fest: „Neben den klassischen Investments gibt es einen deutlichen Anstieg des Investments in die eigenen vier Wände, da sich das Leben vermehrt dort abspielt und entsprechend einen neuen Stellenwert hat“, so der Entwickler. Zwar hätten diese Käufer auch vor Corona schon das Kapital dazu gehabt, sich aber für andere Investmentformen entschieden. „Jetzt werden diese Mittel gepoolt und die Käufer sagen, ‚das ist es mir wert‘. Weshalb einerseits die Nachfrage nach besonders schönen Projektensteigt – und entsprechend die Bauträger bereit sind, teure Lagen zu kaufen und exklusiv auszustatten.“
Wartezeiten für Luxusausstattungen
Auch für Helga Kauf – stellvertretende Geschäftsführerin und Marketingleiterin des Bauträgers Flair ist der Wunsch nach mehr Lebensqualität deutlich spürbar: „ Das ist zu 100 Prozent das, was ich erlebe“, so die Entwicklerin. „Die Frage der Qualität ist ganz klar während der Zeit, die die Menschen zu Hause und in Österreich statt auf Fernreisen verbracht in den Vordergrund getreten. Zumal man auch in der Wohnung Rückzugsorte braucht, und einander nicht auf der Pelle kleben will“, bringt sie es auf den Punkt.
Wie stark dieses Bedürfnis nicht nur vorhanden ist, sondern auch gelebt wird, zeigt sich für Martin Müller, Geschäftsführer von JP-Immobilen einerseits an den Verkaufszahlen, aber auch an den Wartezeiten, die es für hochwertige Ausstattungselemente derzeit gibt. „Bis vor kurzem konnte man beispielsweise die teuren TechnoGym-Fitnessgeräte ohne Wartezeiten bekommen, da war alles lagernd, jetzt wartet man Monate darauf“, so der Makler. Dasselbe gelte für Wellness-Produkte von Klafs &Co, Poolanbieter, Heimkino-Ausstatter oder Pergolen für die Terrasse. „Derzeit wird einfach wahnsinnig in die eigenen vier Wände investiert und ausgebaut – vielleicht auch, um das Leben erträglicher zu machen“, so der Experte.
Auf die neuen Wohn- und Kaufwünsche der Kunden reagiert die Branche nicht nur mit besser ausgestatteten Häusern, Wohnungen und Amenities, sondern auch mit einer neuen Gewichtung innerhalb von Projekten, wie Havlik erklärt: „Bei uns hat sich dadurch der Wohnungsmix geändert, da Drei-Zimmer-Wohnungen durch den gestiegenen Wunsch nach einem Home-Office an Bedeutung gewinnen, auch wenn Zwei-Zimmer-Wohnungen immer noch als interessantes Investment gut nachgefragt sind.“
Denn auch Vorsorgewohnungen mit effizienten Grundrissen, die die elementaren Wohnbedürfnisse erfüllen, seien nach wie vor gefragt, da sowohl für die Bewohner als auch den Investor der Absolutbetrag wichtig sei und Budgetbeschränkungen immer eine Rolle spielen. In Sachen Ausstattung spiele vor allem die Lage eine Rolle, so der Entwickler. Je nachdem, ob sich ein Vorsorgeobjekt im Zehnten oder Ersten befindet, werde es entsprechend solide und zweckmäßig oder eben unter dem Motto „Small Luxury“ ausgestattet. Einen Trend zu gestiegenen Qualitätsansprüchen bei den potenziellen Mietern der Vorsorgeobjekte s sieht Havlik derzeit aber noch nicht, was auch der Tatsache geschuldet sei, dass die Verweildauer oft bei zwei oder drei Jahren liegt, ehe die Mieter aus der klassischen Zwei-Zimmer-Vorsorgewohnung herausgewachsen sind. Bei den Investoren ist diese Entwicklung dagegen schon eher zu beobachten, wie Helga Kauf festgestellt hat: „Vorsorgewohnungen werden im Wert steigen wie alles andere auch, aber die Interessenten, die jetzt wegen einer Vorsorgewohnung zu mir kommen, gehen alle hinein und schauen, ob sie selber drin leben wollen würden – das ist eine ganz neue Entwicklung“, berichtet die Maklerin.
„Mehr Platz, mehr Luft, mehr Licht“
Was aber gönnen sich diejenigen, die ihre Prioritäten während der Krise neu geordnet haben und es sich auch leisten können, entsprechend in Lebensqualität zu investieren? „Heruntergebrochen: mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft“, bringt es Sattlegger auf den Punkt. „Egal ob Wohnung oder Haus – immer stärker in den Fokus der Nachfrage rücken großzügige Außenflächen wie Balkon, Terrasse oder eigener Garten. Bei Häusern wird ein Keller vorausgesetzt, der sich für einen Fitnessbereich und ein Home-Office eignet“. Eine große Rolle spiele die Ausstattung, außerdem sei die Nachfrage nach mehr Grün und Ruhe bei gleichzeitig guter Anbindung an die Innenstadt ist enorm gestiegen, so der Glorit-Geschäftsführer. Der Wunsch nach Freiflächen ist auch bei Flair besonders stark zu spüren, „und zwar nach qualitativen Freiflächen, die man auch mit Tisch und Sessel nutzen kann – und nicht nach einem schmalen Betonstreiferl“, betont Kauf.
Dafür sind manche durchaus bereit, ein wenig aus der Stadt hinauszuziehen, wie Sebastian Beiglböck, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) berichtet: „Aus Marktanalysen wissen wir, dass besonders die Nachfrage nach Einfamilienhausobjekten in den attraktivsten Regionen im gehobenen Segment stark steigt“, so der Sprecher der Entwickler. In Wien dominiert dagegen die Nachfrage nach „Häusern, Villen und Neubauwohnungen mit gut nutzbaren Freiflächen vor allem in den Grünbezirken“, weiß Otto, „in zentralen Lagen ist der klassische Altbau nach wie vor sehr beliebt.“.