Enzo Eneas Gärten sind weltweit begehrt. Tina Turner und George Harrison, Prince Charles und die Königin von Bahrain, David Chipperfield, Zaha Hadid und Bjarke Ingels – sie alle schätzen die Kompositionen des „Garten-Picassos“.
Ein reifer Pfirsich. Ein heißer Sommertag. Eine süße Erinnerung. Ungefähr acht sei er gewesen, erzählt Enzo Enea, an einem Nachmittag im Sommer – da holt ihm sein Großvater einen Pfirsich vom Baum, weil er durstig ist. Und als ihm der süße Saft vom Kinn tropft, ereilt ihn die Erkenntnis: Wenn Bäume so etwas Gutes hervorbringen, dann müssen sie selbst das Beste überhaupt sein. Geradezu biblisch klingt diese Geschichte von der Enea’schen Frucht der Erkenntnis – nur dass Adam und Eva nach dem Obstgenuss aus dem Paradies vertrieben wurden, während Enea es sich zur Aufgabe gemacht hat, Paradiese zu erschaffen. Wie diese aussehen, entscheidet dabei der Ort selbst, erzählt er: „Wir sehen uns der Philosophie des ‚Genius loci‘ verpflichtet. Sie leitet dazu an, bei der Gestaltung der Natur den Geist des Ortes zu respektieren. Das bedingt, dass man den Ort kennenlernt, mit ihm in einen Dialog tritt und analysiert. Konkret interessiert uns die geografische und topografische Lage, die lokale Flora, der Sonnen- und Schattenverlauf, die Charakteristik der Landschaft sowie das Ensemble, das bereits zum Haus gehört.“
Bis heute, fast fünf Jahrzehnte nachdem sein Großvater ihm den Pfirsich in die Kinderhand drückte, hegt Enea eine besondere Liebe zu Bäumen und setzt sie oft als Hauptdarsteller auf der Bühne seiner Gärten ein: „Ein vermeintlich unscheinbarer, alter, knorriger Obstbaum kann, wird er gekonnt inszeniert, in seiner Rolle großartig neu aufblühen. Vielleicht wünschen sich Kunden aber eine parkähnliche Gestaltung für den kontemplativen Rückzug. Hier könnte ich mir auch eine Skulptur vorstellen, die den Dialog zwischen Mensch und Natur belebt, wie zum Beispiel in unserem Baummuseum.“ Ein Projekt übrigens, das Enea besonders am Herzen liegt. Denn dem Schweizer blutet das Herz, wenn jahrhundertealte Bäume achtlos beiseite geschafft werden, um Platz für Beton zu machen. Also rettet er sie. In seinem Baummuseum in Rapperswil-Jona, im Südwesten des Schweizer Kantons St. Gallen, bietet er ihnen ein sicheres Heim. Während in der breiten Öffentlichkeit das Schutzbedürfnis bedrohter Tierarten weitgehend angekommen ist – auch wenn noch viel zu tun ist – so machen sich wohl die wenigsten von uns Gedanken, ob eine Baumart vom Aussterben bedroht ist. Über 3000 Bäume stehen nun auf Eneas 75.000 Quadratmeter großen Anlage – viele von ihnen gerettet oder vom Aussterben bedroht –, rund 50 davon stehen im eigentlichen Museum. Die Komplexität dieser Naturkunstwerke möchte Enea vor allem vermitteln, zusätzlich treten ausgewählte Kunstschaffende mit ihren Skulpturen und anderen Werken in einen ästhetischen Dialog mit den natürlichen Exponaten.
„Den Ort respektieren“
Ein gut gestaltetes Projekt spiegelt immer die umgebende Kultur, ist Enea überzeugt – und richtet seine Arbeitsweise danach: „Stets mit allen Sinnen wachsam und respektvoll im Umgang sein. Immer bereit sein zu lernen, sich für Kulturen und das Leben der Menschen interessieren. So entsteht über die Zeit ein tieferes Verständnis für die feinen Unterschiede, die Emotionen wecken und Sehnsüchte stillen.“ Freilich kann das nur im Team gelingen: „Den Geist des Ortes fangen wir in erweitertem Sinne auch durch das Wissen der regionalen Biologen und botanischen Gärten ein. Der Austausch mit den Experten vor Ort gehört zu unserer Arbeit und fließt in die Gartengestaltung mit ein.“
Jeder Ort hat eine Geschichte, seine Dramaturgie, die Enea auf die grüne Bühne bringt. Besonders spannend sind da natürlich jene Projekte, die mehrere Nutzungen in sich vereinen und so verschiedene gesellschaftliche Aspekte vernetzten. Ein solches Projekt stellte Enea 2017 in Beijing fertig: „Genesis“ umfasst zwei moderne Bürotürme, ein Freiluftamphitheater, ein Hotel sowie ein zeitgenössisches Kunstmuseum, entworfen von Tadao Ando. Bei der Gestaltung der Außenflächen folgte Enea dem Schwung des angrenzenden Liangma-Flusses und entwickelte eine entsprechende Dramaturgie, die den Betrachter durch eine Szenenfolge aus Neuinterpretationen traditioneller chinesischer Gartenkunst führt. Verknüpft werden die Bereiche durch einheimische Pinienbäume, die als lebende Statuen wieder Eneas Liebe zum Kunstwerk Baum aufnehmen.
Natürlich muss nicht alles ausschließlich heimisches Gehölz sein. Wie im Innenhof des Büroensembles KARL, neuestes Prestigeprojekt von David Chipperfield, das 2021 fertiggestellt werden soll. In dessen „Village Square“ kombiniert Enea Magnolie und Eibe zu einem entspannten Kommunikationsraum, der den Joballtag ein paar Minuten vergessen lässt. Von allzu exotischen botanischen Experimenten wie Palmen im Alpenraum hält Enea nichts: „Vielleicht deckt sich das Erlebnis mit dem Wein, der in den Ferien so gut geschmeckt hat. Voller Freude nimmt man sich eine Flasche mit und sitzt dann wie ein Kind vor dem falschen Weihnachtsgeschenk. Es gibt eben Sinne zwischen Haut und Knochen, an denen man nicht einfach so rühren kann. Sie wollen im Zauber des Augenblicks verwöhnt werden, sonst beginnt der Tanz der Sinne nicht. Bei Pflanzen kommen nun noch Faktoren hinzu, die lassen sich einfach nicht ändern. Die Klimazone, Luftfeuchtigkeit, Winterhärte.“
Mischwald im Fußballstadion
„Lernen Sie die lokalen Schönheiten neu zu lieben, in der Heimat und in den Ferien“, rät Enea uns allen. „Der Augenblick, das Hier und das Jetzt, mehr haben wir nicht.“ Eine Botschaft, die auch das Projekt von Klaus Littmann, „For Forest – Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“ verkörpert, das Enea 2019 nach Österreich führte. Für Österreichs bisher größte Kunstintervention im öffentlichen Raum versetzte Enea einen Mischwald in das Klagenfurter Wörthersee Stadion. „Ein großes Projekt mit viel Emotionen und tiefer Genugtuung“, fasst der Schweizer zusammen, um gleich darauf näher auszuführen: „Auch wenn man schon tausende Gärten weltweit gezeichnet und gebaut hat, einen 50-jährigen Wald mit 299 Bäumen in ein Fußballstadion zu setzen, das machen wir nicht alle Tage. Eine großartige Teamleistung.“ Nicht nur technisch, auch inhaltlich sieht Enea das Projekt als Meilenstein – ist doch die Grundaussage eine, die seine Arbeit wie kaum eine andere ausmacht: „Die Natur braucht uns nicht, wir sie aber schon.“